Esssucht - heimlich essen!

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  • Leider litt ich vor einem Jahr an Magersucht. Zu den schlimmsten Zeiten wog ich knapp [COLOR=Red]xx[/COLOR] kg bei einer Körpergrösse von 165cm. Ich habe mich überwindet den Schritt zur Behandlung zu machen. Nun bin ich seit einem Jahr in Behandlung bei einer Psychologin. Mein Wille war so gross, dass ich das ganze Gewicht so schnell wie möglich wieder im Griff haben wollte. Vor der Verweigerung des Essens wog ich immer ca. [COLOR=Red]xx[/COLOR] kg. Mit Essattacken habe ich das ganze Gewicht wieder nach oben gebracht. Man sprach immer davon, dass sich das mit den Essattacken wieder legen würde, sobald sich mein Gewicht normalisiert. Dem ist leider nicht so. Mittlerweile bin ich [COLOR=Red]xx[/COLOR] kg und fühle mich im Körper total unwohl. Es ist wie ein Teufelskreis. Da ich täglich Essattacken habe und alles in mich hineinstopfe, fühle ich mich fast gezwungen täglich eine bis zwei Stunden Sport zu machen. Trotzdem hört die Gewichtszunahme nicht auf - ich bin verzweifelt!!! In der Nacht stehe ich auf und plündere den Kühlschrank heimlich... Während dem Tag kann ich kaum unter Anwesenheit anderer Personen essen und sogar im Geschäft nasche ich im Aufenthaltsraum heimlich. Meistens wenn ich esse, esse ich heimlich :( Kennt dieses Problem jemand? Ich habe das Gefühl, niemand nimmt mich mit diesem Anliegen ernst... :(

    Einmal editiert, zuletzt von sombra_blanca () aus folgendem Grund: Gewichtsdokumentation. Bitte Forenregeln beachten.

  • Ich behaupte, du solltest dir möglichst schnell einen guten Therapeuten suchen, der auf Essstörungen geschult ist. Entweder bei der Krankenkasse nachfragen, oder sich selbst "durchtelefonieren".
  • Dieses Problem ist mir selber bekannt. Auch ich bin aus der einen Essstörung Magersucht in die andere (Fress-Attacken) gewandert. Nur bei mir war noch der Umweg Bulimie dazwischen. Dein Drang, durch Sport zu kompensieren, ist übrigens auch eine Spielart der Bulimie. Zu der Zeit war ich ungefähr an dem Punkt wie du jetzt. Sogar die Zahlen ähneln sich. Es hat mich Jahre gekostet und einen Teil meiner Gesundheit, den Drang zu kotzen zu unterdrücken und lieber dick als krank zu sein. Bulimie ist nichts zum Nachmachen. Die Schäden an Speiseröhre, Stimme und Gebiss sind irreparabel. Die Essanfälle blieben, das Gewicht stieg bis auf knapp U100, aber es sind weniger Essanfälle geworden, und das Gewicht hat sich eingependelt, mit laaangsamer Tendenz nach unten. @ naschkatze: Erst einmal hat dein Körper einiges nachzuholen. Von der Magerzeit her wird wahrscheinlich immer noch ein Mangel an bestimmten Nährstoffen herrschen. Um genug davon zu bekommen, ist halt jede Menge Nahrung erforderlich. Mit Vitamin- und Mineralstoffpräparaten könntest du etwas nachhelfen. Lass mal bei einem Arzt den Vitamin/Mineralstoffstatus überprüfen. Besser gezielt Präparate einnehmen als ins Blaue hinein. Was das Heimlich-Essen angeht: du bist wahrscheinlich immer noch darauf gepolt "Essen ist schlecht". Hast du während der Therapie reflektiert, was das Grundthema bei deiner Magersucht war? Bei mir war es das Unvermögen, Schwäche und Verletzbarkeit einzugestehen, der Hilferuf musste über das Bild körperlichen Verfalls nach außen gesendet werden. Bei mir ging es also darum, akzeptierte [B]Schwäche[/B] zu zeigen. Bei anderen Magersüchtigen geht es um den Beweis von Kontrolle und Selbstdisziplin und [B]Stärke[/B] sich und anderen gegenüber. In dem Fall würde "öffentliches" Essen dem eigenen Selbstbild von Selbstdisziplin widersprechen: dann könnten ja alle sehen, dass man (willens)schwach ist. Versuch das mal mit Hilfe der Psychologin zu ergründen. Ich glaube außerdem, dein Körper und dein Unterbewusstsein haben immer noch Angst, dass demnächst wieder Hungerzeiten anbrechen. Diese innere Stimme kenn ich auch zur Genüge. Dagegen hilft eigentlich nur, Essanfälle zuzulassen und sich nicht dafür zu bestrafen. Man kann sich die widerstreitenden Gefühle wie zwei kleine Männchen im Ohr vorstellen. Das eine sagt: "Iss iss iss, wer weiß, morgen kriegst du nichts mehr." Das andere sagt: "Ich hab dir doch gesagt, du darfst nicht so viel essen!" Und dadurch, dass du dir die Essanfälle selber zum Vorwurf machst, werden sie dem ausgehungerten Männchen um so notwendiger, weil es in seiner Befürchtung ja bestätigt wird. Ich weiß nicht, ob ich diesen Zwiespalt verständlich machen kann: je mehr du die Essanfälle ablehnst und unterdrücken willst, um so stärker werden sie. Für mich persönlich hat es gut funktioniert, Essanfälle liebevoll zuzulassen. Ich brauch das jetzt. Und ich krieg das jetzt. Und ich krieg alles, was ich will. Ich muss nicht hungern. Alles ist da. Schokolade ist da, mehr als genug. Dieses Bewusstsein muss ganz tief ins Unterbewusstsein rutschen, dann lassen die Essanfälle auch nach. Ich habe zunächst derbe zugenommen, aber nach einem gewissen Höchststand zeigte sich wieder eine Tendenz nach unten. Zwar schwankt mein Gewicht stärker als der Spritpreis bei Esso, aber ich habe gelernt, das zu akzeptieren. Ich vermeide auch nach Möglichkeit, irgendwie auf Gewichtsabnahme hinzuarbeiten, weil dadurch wieder dieser Panikmodus mit Essanfällen getriggert wird. Ich lasse es einfach geschehen. Essen und zunehmen und essen und abnehmen. Du bist also ganz und gar nicht alleine. Es ist nur schwer, das Thema in den Griff und in Worte zu kriegen.
  • Sophie, super erklärt, mir ging es genauso. Eine zeitlang konnte ich auch keine Lebensmittel essen, die man mit "gesund" assoziert: wie Joghurt, Salat, Gemüse. Das erinnerte mich zu stark an meine Anorexie- Zeit, wo ich mir nur solches Essen erlaubte. Ich habe dann nur Sachen gegessen, die ich mir vorher strikt verboten hatte. Und weil ich immer noch den Gedanken "Essen ist schlecht" mit mir rumtrug, habe ich dann auch NIE vor Anderen gegessen. Das eine Ex- Magersüchtige, deren Kontrolle gebrochen ist und die "frisst", automatisch wieder damit aufhört, wenn sie ihr Normalgewicht erreicht hat, ist ein Ammenmärchen. Ich kenne doch einige Ex- anorektikerinnen, wo es anders lief und die Essstörung ins andere Extrem kippte. Dieser kontrollverlust ist dann auch das, was am meisten Angst macht. liebe Grüße Lisa
  • Ja, das ist genauso ein zwanghaftes Verhalten wie vorher. Wenn ich in irgendeinem Zusammenhang erwähne, dass ich mal magersüchtig war, kommt immer ungläubiges Staunen: "Was? SIE? Sie veräppeln mich!" Ich habe noch ein Foto aus meiner magersten Zeit, das zeige ich dann. Dann glauben mir die Leute auch meistens, das ich mich mit dem Übergewicht wohler fühle als damals, so einen gequälten Blick habe ich auf diesem Foto. Lisa, du hast den Begriff "gebrochene Kontrolle" benutzt. Das passt. Der Kontrollverlust bei den Essanfällen ist wirklich beängstigend. So als würde man einer fremden Person dabei zuschauen. Auf der anderen Seite hatte ich als Magersüchtige auch keine Kontrolle. Klar, ich konnte nicht-essen, so lange ich wollte. Aber es war kein echtes [B]Wollen[/B], sondern auch eine Art Getriebenheit, gegen den Hunger zu widerstehen, weiter zu hungern gegen jegliche Vernunft. Dass Magersüchtige keinen Hunger empfinden, ist nämlich auch ein Ammenmärchen. Der Geruch von der Pizzeria im Bahnhof hat mich fast ohnmächtig werden lassen, so sehr habe ich nach der Pizza gegiert. Von dieser Gier ist noch immer ein Stück fest im Hirn verdrahtet. Aber ich habe die Kontrolle über diese Gier verloren. Ich will [B]diese Art[/B] von Kontrolle aber auch nicht wieder, weil das ein noch schlimmerer Zustand ist. Ich habe also gleichzeitig Angst vor dem Kontrollverlust und der "unkontrollierten Kontrolle". In einem früheren Post schrieb ich mal, dass ich gelernt habe, meine Persönlichkeitsanteile als Figuren vorzustellen, und mit denen in der Vorstellung zu reden wie mit echten Personen. Zum Beispiel das trotzige, verängstigte Kind in mir. Und halt auch "das Tier im Keller". Dieses Tier ist ganz primitiv, versteht keine vernünftigen Argumente, sondern es will sein Fressen, und zwar leckeres Fressen. Die schwere Aufgabe ist also, diesem Tier klarzumachen, dass es keine Angst vor (erneutem) Hunger zu haben braucht. Dazu muss man aber genau in sich hineinhören, wann das Tier anfängt zu jaulen. Und warum jault es? Hat es wirklich Hunger oder fühlt es sich einsam? Ich habe meine Essanfälle (fast) im Griff. Sie sind selten geworden. Und wenn es mich dann doch wieder überkommt, mache ich mir keine Vorwürfe, sondern sage dem Tier: Ist ja gut. Du hast jetzt dein Fressi gekriegt, siehst du? Du brauchst keine Angst zu haben. Du wirst immer satt. Hört sich schizo an, hat bei mir aber geholfen. Ganz langsam, nach den Vorstellungen meiner Umgebung viel zu langsam, geht mein Gewicht wieder runter. Aber es soll sich für mich nicht anfühlen, als würde ich abnehmen, sondern ganz beiläufig geschehen.
  • Hallo Sophie, du hast vollkommen Recht und kannst super erklären! Auch mit einem dicken Körper zeige ich noch viele Symptome von Anorexie , außer dem Nicht- essen natürlich. Aber es gehört ja noch mehr dazu, das "mit dem Kopf und kontrolliert essen", Schuldgefühle beim essen, ungern vor anderen essen, Einteilung der Lebensmittel in "gut" und "böse" ; Autonomieprobleme, Scham bei Essanfällen, die ja dann "Schwäche" und "Sündenfall" sind. Daher sagen mir auch Leute, die mich als dick kennen: "Du warst bestimmt früher mal magersüchtig." - ohne dass sie alte Fotos kennen. Aber es bleibt: Die dicke Frau im Spiegel oder die abgemagerte - manchmal kann ich das nicht fassen, dass ich das bin.
  • Ja, es fühlt sich sehr eigenartig an. Auf alten Fotos - falls es welche gibt, weil ich mich immer soo fett und hässlich fand - erkenne ich mich selber nicht wieder, ich komme mir völlig fremd vor. Was das Erklären angeht: ich bin ein Typ Mensch, der allem zuerst mit dem Intellekt auf den Grund gehen will, trotz meiner Hitzköpfigkeit. Ich heiß ja nicht wirklich Sophie, sondern der Nick kommt von "Sophisticated" im Sinn von intellektuell, spitzfindig, klugscheißerisch, wie mich ein paar Freunde liebevoll nennen. Ständig seziere ich meine eigene Befindlichkeit, um mehr über mich zu lernen, und versuche das in Worte zu fassen. Ein Problem, das in Worte gefasst wurde, ist schon halb gelöst. Und je präziser die Formulierung, um so näher die Lösung. (Deshalb steh ich so auf Mathematik...) Aber mein Weg muss nicht für alle geeignet sein.