Opfer oder nicht?

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  • Ich habe hier und da immer wieder mal die Beobachtung gemacht das man als Opfer (seien es tätliche Übergriffe, seien es Belästigungen verbaler Art oder sonstiges) einen schweren Stand hat wenn man sich nicht verschreckt zurückzieht. In dem Moment wo man sagt das man sich nicht kleinkriegen lassen will und sich dem stellt statt das verschreckte Mäuschen zu spielen verliert man quasi seinen "Opferstatus". Frei nach dem Motto "Wäre es wirklich so schlimm...." oder noch besser "Sie will es ja nicht anders!". Es fällt mir gerade deshalb auch immer wieder auf weil ich selbst seinerzeit zu solch einem "guten" Opfer erzogen wurde. Gab es auf dem Schulhof Ärger kriegte ich von zuhause nur den lapidaren Rat "Dann muß du eben weggehen wenn die dich ärgern wollen." Vielen Dank! Was lebensfremderes kann man einem Kind nun wirklich nicht mit auf den Weg geben. Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht oder bei anderen beobachtet? Wie würdet ihr reagieren? "Gutes" oder "Schlechtes" Opfer?
  • hallo steffi, eine ähnliche frage hat mich gestern auf dem ganzen weg nach hause beschäftigt. mein sohn hat oft das problem, dass er nicht weiss wie er reagieren soll, wenn er dumm angemacht wird (klassenkameraden etc.) gestern waren wir bei meiner mutter zu besuch und die sagte ihm, völlig selbstverständlich:" dreh dich einfach um und geh weg!" DAS ist genau das was ich immer zu hören bekommen habe und was ich auch immer getan habe. gut getan hat es mir deshalb noch lange nicht. manchmal ist es eben besser sich zu wehren. sich nicht alles gefallen zu lassen. es ist genau wie du es sagst. damit katapultiere ich mich (nicht selten) in die opferrolle. als beispiel kann ich da einmal eine situation nennen, welche mir in der stadt passierte. ich ging mit meinen kindern dort spazieren und es wurde plötzlich laut und ohne scham über mich gelacht und gelästert. im ersten moment war mir das total peinlich und ich wollte dem folgen was ich immer tat. mich umdrehen und gehen. dann habe ich mir aber ein herz gefasst und bin zu dieser gruppe menschen hingegangen und habe ihnen (relativ laut) gesagt:" ich würde auch kurz hinsehen, wenn ich an mir vorbeiginge, denn ich bin wirklich sehr dick, doch ein verhalten wie es hier geschieht ist verletzend. ja, ich bin dick, sehr dick. fett sogar, doch deswegen habe ich nicht weniger gefühle als andere menschen." ich hatte noch irgendetwas wie "ein solches verhalten würde mir der anstand verbieten" zugefügt. es herrschte plötzlich stille um mich herum. betretene stille. was in dem einen moment noch für lacher (über mich), im umkreis derer, welche die die lästereien mitanhören konnten sorgte, ließ nun alle verstummen und ich war sicher NICHT MEHR in der peinlichen situation. die blcike der umstehenden waren nun den anfänglichen lästerern peinlich! ich habe mich dann einfach umgedreht und bin erhobenen hauptes mit meinen kindern davongezogen. von diesem erlebnis habe ich meinem sohn dann gestern auch erzählt. ich möchte meine kinder zu selbstbewussten menschen erziehen. das heisst eben nicht immer alles zu "schlucken", sondern auch manchmal in die offensive zu gehen. liebe grüsse Silke
  • [QUOTE=Ruberta]ich möchte meine kinder zu selbstbewussten menschen erziehen. das heisst eben nicht immer alles zu "schlucken", sondern auch manchmal in die offensive zu gehen.[/QUOTE] Hundertprozentige Zustimmung. Das gebe ich meiner Tochter auch mit auf den Weg. Sie kriegt in der Schule auch Dinge zu hören (in Bezug auf mich), die sie sehr verletzen. Anfangs hat sie nur geweint deswegen, inzwischen haben wir uns gemeinsam ein paar Sprüche zurechtgelegt, die sich auch schon ausprobiert hat. Seitdem geht es ihr viel besser damit. Allerdings würde ich mich selbst niemals und keinem Menschen gegenüber als "fett" bezeichnen. Dieses Adjektiv ist für mich verachtend und völlig unterm Strich. Siehe mein Leserbrief in Sachen Spessartklinik.
  • [QUOTE=Steffi] Ich habe hier und da immer wieder mal die Beobachtung gemacht das man als Opfer (seien es tätliche Übergriffe, seien es Belästigungen verbaler Art oder sonstiges) einen schweren Stand hat wenn man sich nicht verschreckt zurückzieht. [/QUOTE] Meinst du vielleicht, wenn man sich verschreckt zurückzieht? Nach meiner Erfahrung gehen Täter immer den Weg des geringsten Widerstandes. Also, je verschreckter ein Opfer wirkt, desto weiter wird es in die Opferrolle gedrängt. Das zeigt auch das Beispiel von Ruberta. Allerdings kommt es immer auf die Situation an. Manchmal ist Angriff die beste Verteidigung und manchmal hilft nur demonstrative Ignoranz, ein Patentrezept für alle Situationen gibt es da nicht. Wenn es eine Verallgemeinerung gibt, dann vielleicht die, dass man dem Täter nicht den Gefallen tun sollte, dass von ihm gewünschte Verhalten zu zeigen. Ich glaube Opferrolle hat viel mit Grenzen und Grenzüberschreitungen zu tun. Es ist nicht hilfreich, wenn ich meinem Kind sage, es soll sich gegen Angriffe von anderen Kindern wehren, ihm aber durch meinen Erziehungsstil vermittle, dass es stärkeren, also erwachsenen Menschen machtlos ausgeliefert ist und keine Rechte gegenüber diesen hat. Nicht ohne Grund wird dies immer wieder in Kursen vermittelt, die Kinder gegen sexuellen Missbrauch schützen sollen: Du hast das Recht, nein zu sagen, du hast das Recht, dich zu wehren, egal gegen wen. @Ruberta Du hast dich in dem Beispiel nicht nur richtig verhalten, was dich selber angeht, du hast deinen Kindern auch ein gutes Beispiel für verbale Selbstbehauptung gegeben, Glückwunsch und mach weiter so. :)
  • [QUOTE=Lunix]Meinst du vielleicht, wenn man sich verschreckt zurückzieht? [/QUOTE] Worauf ich mich mit der Fragestellung beziehe ist die Meinung vieler Aussenstehender. (Auf die ich mittlerweile immer mehr pfeife wie ich feststelle.)
  • Meine Mutter wurde so erzogen, daß sie nie den Mund aufmachte, hat in Ihrer Kindheit sehr unter Lehrern und Mitschülern leiden müssen, weil sie ein Vertriebenenkind aus dem Sudetenland war, daß erstmal arm war und einen Dialekt sprach, über den sich nicht nur die Mitschüler lustig machten, sondern auch die Lehrer. Obwohl sie ein recht intelligentes und sensibeles Kind war, wurde sie von ihren Lehrern täglich der Klasse vorgeführt---sowas prägt. Obwohl meine Mutter in vielen Dingen heute viel härter ist als ich, hat sie ihr ganzes Leben Probleme damit gehabt, den Mund aufzumachen, vor vermeindlich höhergestellten Menschen. Umso mehr bin ich ihr in diesem Falle dankbar, daß sie meiner Schwester und mir immer ein gesundes Selbstbewußtsein mitgegeben hat. Das was sie selber oft gar nicht hat. Mein Vater verstarb schon sehr früh, da war ich 4. Auch wenn ich manchmal viel zu weich bin, dennoch habe ich mich immer behaupten können, meine Meinung vertreten können, auch gegen den Strom schwimmen habe ich gelernt. Den Mund aufmachen auch wenn manchmal Fettnäpfchen auf dem Weg sind. (einzig wo ich es nicht schaffte, war bei meinem Nochmann) in der Grundschule bin ich auch einer körperlicher Auseinandersetzung mit Jungs nicht aus dem Weg gegangen...*grins*, das hat mir einen gewissen Respekt eingehandelt.
  • hallöchen sally, für mich hat "fett" offenbar eine andere bedeutung als für dich. für mich macht zumindest die betonung der aussprache eine ganze menge aus. ich kann meinen mann liebevoll "du blöder hund" nennen, oder ich kann das böse sagen. in meinem fall habe ich fett einfach als adjektiv benutzt. da gibt es im übrigen auch eine schöne anekdote :) mein sohn wurde auch meinetwegen viel geärgert. hast du ne "fette" mama. und das fett wurde dabei sehr bösartig gezischt. lenny und ich haben uns dann mal überlegt was er darauf antworten könnte. er kontert jetzt immer:" na und? was ist an "fett" schlimm? ein fettes portemonnaie, ein fettes auto, ne fett geile cd.... findest du doch auch alles klasse, oder? meine mama ist eben auch voll fett" das sagt er jetzt jedesmal mit einem zwinkern, wenn er so beleidigend auf mich angesprochen wird. in der regel herrscht dann auch stille und lenny hat fortan seine ruhe ;) liebe grüsse Silke
  • Ja, da unterscheidet sich wohl unser Empfinden grundlegend. Für mich hat das Wort "fett" (das ja auch in aller Regel entsprechend ausgesprochen wird) die gleiche Bedeutung wie "Krüppel", "Nigger" oder "Schwuchtel". Mich verletzt es sehr. Mit Begriffen aus der Jugendlichensprache wie "geil" oder eben auch "fett" - in einem anderen Zusammenhang - habe ich nie was anfangen können. Parallelen ziehe ich auch - allerdings mit dem Wort "dick" ... das ich sehr schön finde. Ein dickes Bankkonto ist fein, ein dickes Buch versüßt einen Winterabend, eine dicke Decke oder ein dicker Pullover ist wärmend, eine dicke Schneedecke schützt die Pflanzen ...
  • [QUOTE=Sally]Mit Begriffen aus der Jugendlichensprache wie "geil" oder eben auch "fett" - in einem anderen Zusammenhang - habe ich nie was anfangen können.[/QUOTE] Ich auch nicht, vor allem weil diese Wörter zu einem undifferenzierten Sprachgebrauch verleiten. Aber wer weiß, ob die positive Bedeutung von "fett" im Jugendslang nicht irgendwann auf den Zusammenhang mit Menschen abfärbt? "Schwul" ist ja auch nicht mehr unbedingt nur ein Schimpfwort, hier kommt es schon auf die Betonung an.
  • hallöchen sally, "fett" ist auch nicht wirklich ein wort aus meinem sprachgebrauch. bei kindern im alter meines sohnes jedoch inzwischen ebenso selbstverständlich wie "geil". ich erinnere mich noch gut daran wie verpönt das wort "geil" in meiner kindheit war....und wie selbstverständlich ist es dagegen heute. ich persönlich bevorzuge, wie du, den ausdruck dick. in dieser situation in der stadt habe ich "fett" aber absichtlich gebraucht. ich hatte ein gegenüber, welches dieses wort zum beschimpfen benutzte... wollte meinerseits nur klarmachen dass es für mich ein adjektiv wie lang, dünn, kurz und dick ist... nichts schlimmes eben. wollte dem wort damit die schärfe nehmen. liebe grüsse Silke
  • Mit der Reaktion aus einer "Opferrolle" heraus ist das immer so eine Sache. Es gibt Situationen in denen man einer Sache entgegen treten muß, dann wiederum gibt es Situationen wo man sich besser nicht aufregt und Gleichgültigkeit an den Tag legt. Für die Art, wie eine Reaktion (bei mir) ausfällt, ist aber auch die Tagesform nicht unerheblich. Aber - Gegenfrage: begibt man sich automatisch in eine Opferrolle nur weil man sich sagt - Egal, das ist mir die Sache nicht wert - ? Die Schilderungen von Ruberta mit ihrem Sohn kamen mir recht bekannt vor, standen wir doch vor kurzem noch vor einem ähnlich gelagerten Problem bei unserem Sohn. Bei ihm hatte sich die Situation mit einem anderen Jungen derart hochgeschaukelt, daß wir unserem Sohn, wohlgemerkt nach mehreren Vorschlägen zur gütlichen Einigung, gesagt haben: "Wenn der andere Junge Dich immer haut, dann hau zurück". Nun mag man diese Vorgehensweise aus erzieherischer Sicht her verteufeln, letztlich hat sie aber zum Erfolg geführt und es herrschte ab sofort Ruhe. In diesem Fall war das scheinbar der richtige Weg um Grenzen abzustecken, dennoch kann man nicht verallgemeinernd sagen, daß das immer der richtige Weg ist. Man muß selber abwägen, ob es sich lohnt eine Eskalation in Gang zu setzen oder ob man sich auch mal sagt: Egal, das ist mir die Sache nicht wert. Bei einer Reaktion muß man sich auch auf sein Bauchgefühl verlassen können. Erzogen worden bin ich, daß man diskutiert, auch mal einen Kompromiss eingeht, sich aber nicht unterbuttern läßt - goldener Mittelweg sozusagen.
  • Meine Mutter hat früher immer, wenn ich mich wehren wollte, die Augenbrauen hoch gezogen und den Zeigefinger nach oben gezeigt! Ich DURFTE mich einfach NICHT wehren. Die Kinder in der Nachbarschaft wussten, dass sie es mit mir machen konnten, quasi mit Erlaubnis meiner Mutter! Ich habe lange Jahre, Jahrzehnte gebraucht, bis ich angefangen habe mich zu wehren, den Leuten meine Grenzen zu zeigen. Mein Exmann konnte quasi mit mir machen, was er wollte! Am übelsten, und daran denke ich heute noch oft, war damals als Kind folgende Situation: Damals kamen diese Disco-Roller neu raus (Zitat meiner Mutter "Du gehst mir nicht in die Disco, also brauchste auch kein Disco-Roller" sprach...und fand sich unheimlich geistreich dabei...besonders einer 12 jährigen, also mir, gegenüber. Meine Mutter hatte auch immer die Gabe, gerade vor anderen Leuten solche Sprüche abzulassen um für allgemeine Erheiterung zu sorgen und mich immer wie ein Trottel aussehen zu lassen!!) und irgendwie bekam ich dennoch diese Disco-Roller und meine Freundin und ich kurvten damit ums Haus rum. Der Bruder meiner Freundin war damals ca. 11 Jahre alt und eine absolut bescheuerte Mistkröte, zudem dumm und faul. Aber er war der absolute Held meiner Mutter, die sich lieber einen Jungen gewünscht hat als ein Mädchen. Ihr "Goldjunge" durfte ALLES! Wie gesagt, wir kurven mit unseren Rollschuhen rum, dann kommt dieser Mistbock angefahren und tritt meine Freundin, also seine Schwester und mir mit seinen Rollschuhen bei voller Fahrt in das Steißbein! Das das unheimlich schmerzhaft war, dass könnt Ihr Euch sicherlich denken! Wie in einem Reflex drehte ich mich um und erhob die Hand und streifte den Bruder am Oberarm und der fing sofort an zu heulen, da kam schon ein Schrei aus dem ersten Stock, meine Mutter stand am Fenster und hat alles gesehen und rief mich zurück mit "wage Dich nicht". Ende vom Spiel war der Spruch zu mir "Stell Dich nicht so an", als ich von den Schmerzen erzählte und ihr "Goldjunge" wurde nach oben gerufen, er bekam ein Eis, als "Schmerzensgeld" und meine Freundin und ich wurden von meiner Mutter als blöde Weiber beschimpft. "Sich-wehren-können" ist eine Frage der Erziehung und wieviel Selbstbewusstsein einem die Eltern mitgeben. Ich habe mir schon als kleines Kind eine andere Mutter gewünscht!
  • Hallo Katjusha, im Grunde ging es mir genau wie Dir. Es hieß immer ich solle mich nicht so anstellen - es sei ja nicht so schlimm oder, und das war der fatalste Satz und er kam immer dann wenn mein Bruder wieder mal machte was er wollte (was sehr oft der Fall war): "Sei DU doch wenigstens lieb!" Ich mußte also nicht nur für mich sondern auch noch für ihn lieb sein. Meistens wurde dieser Satz von einem verzweifelten Blick Richtung Himmel begleitet. Ich denke hier sind einige die sich vorstellen können was so etwas in einem sensiblen Kind auslöst. Irgendwann wurde mir dann klar das meine Eltern mir und meinen Geschwistern kein Selbstbewußtsein beibringen konnten... weil sie es selbst nicht haben. Ich habe dann angefangen diesen "Mangel" aufzuarbeiten. Aber wenn man schon über die 25 ist ist das verdammt harte Arbeit. Ich bin froh das ich jetzt schon über 10 Jahre "Arbeit" an diesem Thema hinter mir habe und die Fortschritte sich ja doch bemerkbar machen. Lieben Gruß Steffi
  • Wenn ich das so lese...bin ich froh, daß meine Mutter uns da Gott sei Dank anders erzogen hat...obwohl sie anders ist und war....obwohl sie auch schon eine sehr seltsame Ader in anderen Dingen hat....
  • Wenn ich über das Verhalten mancher Eurer Eltern lese, so kann ich nur den Kopf schütteln. Aber ganz frei von Zweifeln, was meine Erziehungsmethoden und meinem Verhalten meinen Kindern gegenüber betrifft, bin ich natürlich auch nicht. Während mein Sohn mir bestätigt dass ich als Mutter ganz ok gewesen wäre, aber jetzt wo ich älter werde ganz schön spinne, bin ich mir bei meiner Tochter, die ich ja erst 40Jahren bekam nicht mehr sicher. Meine Tochter war immer eine der Kleinsten in der Klasse und sehr zart. Zart im Körperbau und im Wesen. Ihr fehlte völlig die Agressivität und Wehrhaftigkeit, die bei dem heutigen Schulbetrieb einfach nötig wäre. Sie gab auch so schön die Rolle des "Opfers" ab. Das haben mir auch die Lehrer und die Hortleiterin bestätigt. Sie hatte zwar immer eine allerbeste Freundin war aber kein Gruppenmensch. Sie konnte nicht die nötigen Seilschaften bilden. Ich dagegen habe es gelernt meine Masse wenn nötig auch einzusetzen. Ich kann sehr raumfüllend auftreten. Meine Tochter hat sich immer hinter meinem dicken Rücken versteckt und brauchte mich als Schutzschild. Ungern ging sie ohne mich irgendwo hin, ich musste sie so manchesmal hinter meinem Rücken hervorziehen und irgendwo hinschieben. Meine Sorge war immer, dass ich das Kind mit meiner doch etwas dominanten Art unterbuttere. Wir haben es dann zu Hause mit Rollenspielen probiert - also ich war der Agressor und sie das Opfer - und wir haben uns ausgedacht, wie sie sich am besten wehrt. Zu Hause hat es gut geklappt, aber draussen war wieder alles vergessen oder sie hatte einfach nicht die Traute. Auch Kontakte knüpfen fiel ihr schwer. Sie war schon 16 Jahre alt als sie mich mit der Ankündigung überraschte, dass sie sich in einem Sportverein bei einer Kampfkunstgruppe angemeldet hat. Erst war ich amüsiert und bezweifelte, dass das von langer Dauer sein wird. Meine Tochter will sich wehren? Unmöglich - inzwischen ist sie 19Jahre und hat schon einige Auszeichnungen und trainiert andere. Sie hält immer noch nichts von gewaltsamer Auseinandersetzung, das verbietet der Ehrenkodex bei diesem Sport aber erst vor kurzem erzählte sie mir, dass sie jetzt den Menschen direkt in die Augen sieht und den Blickkontakt halten kann. Sie hat keine Angst mehr, nicht unbedingt weil sie sich jetzt körperlich zur Wehr setzen kann, sondern weil sie ein inneres Sicherheitsgefühl hat. Sie ist zudem überrascht wie positiv die Umwelt darauf reagiert. Gerade ältere Menschen aber auch Kinder wenden sich an sie und in der Ubahn kommt sie immer wieder in Gespräche mit wildfremden Leuten. Genau das ist es eben, meine Tochter, ich kann sagen sie ist hübsch, jung und schlank, hat erst die "Opferrolle" ablegen müssen. Ich dagegen bin dick und vergesse das meistens. Denn wenn ich nicht gerade in den Spiegel sehe oder jemand anderer stösst mich mit Nase darauf, da eigne ich mich schlecht für eine "Opferrolle". Ich benütze meinen dicken Körper als Rammschutz nach innen wie nach außen. toni