Essstörung und Depression

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  • Hallo ihr lieben... Meine momentane Verzweiflung hat mich dazu getrieben mich hier anzumelden und mir mal den Frust von der Seele zu schreiben.. Ich bin 27 Jahre alt. Ich bin seit April krankgeschrieben mit ner schweren Depression, habe seitdem nochmal xxkg zugenommen.. Davor hatte ich aber auch schon zugenommen, in einem Jahr ca. Xxkg.. Erst seit ein paar Monaten habe ich mir selbst gegenüber aber eingestanden, dass ich tatsächlich an einer Essstörung leide und nicht einfach nur mangelnde Selbstkontrolle habe und schwach bin.. Das hat sehr sehr viele Jahre gedauert das einzusehen.. Ich kämpfe nämlich schon seit ich denken kann mit Übergewicht. Mit 15 hatte ich xxkg bei 1,62m Körpergröße, mein absolutes Kampfgewicht.. Bei dem Höchstgewicht bin ich nun tatsächlich wieder angekommen! Habe zig tausend Diäten und Ernährungsumstellungen etc durch probiert und bin immer wieder an mir selber gescheitert auf kurz oder lang... Zwischenzeitlich hatte ich 2 Mal geschafft über xxkg abzunehmen und war bei knapp unter xxkg. Damals hab ich mich damit weiterhin mehr als fett gefühlt, wenn ich heute die Bilder anschaue könnte ich heulen... Immerhin habe ich mittlerweile kapiert dass ich gar nicht weniger wiegen will als ca. Xxkg, ich strebe nicht mehr nach utopischen xxkg.. So und nun zu meinem Problem.. Ich leide psychisch dermaßen an meiner Zunahme, dass ich zeitweise den ganzen Tag heulen könnte. Trotzdem schaffe ich es nicht mich beim Essen im Griff zu haben. Es artet manchmal in regelrechte alles in mich reinstopf Phasen aus. Zum Teil ist es mir sogar egal, dass mein Bauch schon weh tut weil ich überfressen bin.. Trotzdem ist noch Verlangen da, mehr rein zu schieben. Gleichzeitig habe ich aber schon während dem Essen ein mega schlechtes Gewissen. Es gibt Tage, an denen kann mich rein gar nichts befriedigen. Ich versuche tagtäglich aufs Neue gegen mich anzukämpfen, bzw gegen den Drang zu essen, und scheitere immer wieder kläglich, wobei ich mich mit jedem Mal erbärmlicher fühle und unfähiger und einfach nur wie der letzte Dreck. Und das führt wiederum zu mehr Essen aus Frust und Verzweiflung. Es ist ein absoluter Teufelskreis, aus dem ich so gerne einen Ausweg finden würde... Sorry fürs Zutexten, aber das musste ich mir mal von der Seele schreiben. Geht es jemandem ähnlich? Grüße, Tanja

    Einmal editiert, zuletzt von Boewi () aus folgendem Grund: Bitte keine Gewichtsdokumentationen.

  • Guten Abend Tanja... ich kann Dich in einigen Punkten sehr gut verstehen Manchmal geht es mir ähnlich was Deine Essgewohnheiten und das permanent schlechte Gewissen deswegen angeht... Du scheinst sehr gut zu wissen in welcher Situation Du Dich befindest und magst Dich davon befreien... Du hast einen Satz geschrieben in dem Du beschreibst, dass Du jeden Tag auf´s Neue gegen Dich ankämpfst.. Diesen Satz fand ich sehr traurig...weil ich ihn kenne und es mir auch oft so ging... Oft war ich so wütend auf mich, darauf dass ich mich nicht *im Griff* habe und dass ich nicht durchhalte und es nicht schaffe ein Gewicht zu bekommen mit dem ich gut leben kann. Aber irgendwann habe ich verstanden dass ich nicht GEGEN mich kämpfen darf, sondern FÜR mich... Es ist wichtig liebevoll mit sich umzugehen...und doch oft so schwer weil wir unseren Körper oft so wie er ist ablehnen....und weil er nicht so *funktioniert* wie wir es uns so sehr wünschen. Und dann sind da bei Dir noch die Depressionen die es Dir auch noch schwerer machen.. Ich finde es gut dass Du Dir keine unrealistichen Ziele setzt... 10kg minus sind schneller erreichbar als 50kg...nach 10kg ist man auch erst mal sehr stolz und kann man ja weiter schauen, oder eben auch nicht. Ganz so wie Du Dich fühlst. Ich bin auch noch weit von der kompletten Selbstakzeptanz entfernt...aber ich habe gelernt gut mit mir zu sein...mir Gutes zu tun... Auch wenn ich eine Sauna (leider) immer noch nicht betreten werde. Ich weiß auch dass ich beweglicher bin wenn mein Bauch nicht ständig im Weg ist, aber ich setze mich nicht mehr unter Druck.... Tanja...das ist so wichtig gut sich selbst zu sein...Du bist so jung und das Leben kann so wundervoll sein.. Ich wünsche Dir sehr dass Du es schaffst...
  • Liebe Tanja, das klingt nach viel Leid, ich hoffe, dass es dir bald einmal besser geht. Hast du schonmal beobachtet, was in dir vorgeht, bevor du isst? Ich persönlich sehe zwar in meinem Übergewicht selbst ein ernstes Problem, aus verschiedenen Gründen, aber ich möchte auch unbedingt wissen, welche Ursachen es dafür gibt, und die Beschäftigung damit empfinde ich als befreiend, wenigstens teilweise. Es bleiben bei mir noch genug Gründe um gelegentlich zu weinen, das leider auch. Liebe Grüße vonAbisZ
  • Hallo Tanja, ich sehe es so: Du kämpfst pernament gegen dich selbst/ deinen Körper. Dumm ist nur, dass der Körper auf lange Sicht immer gewinnt. Je mehr du dir versagst, dich quälst und kasteist, desto mehr kommen die "Einbrüche" in Form von FA. Es ist ein Teufelskreis. Dazu kommen deine Depressionen. Depressionen können das Essverhalten in beide Richtungen ändern und Antidepressiva steigern oft das Nahrungsverlangen . Nimmst du Antidepressiva? Dann ist es nämlich so, dass das Gefühl, wie fremdgesteuert zu essen, eine Wirkliche Fernsteuerung ist. Mir geht es ähnlich wie dir, ich schwanke schon mein ganzes Erwachsenenleben zwischen Anorexie und Adipositas. Ich habe leider aber auch noch nicht DEN gangbaren Weg für mich gefunden. liebe Grüße Lisa
  • Vielen Dank für eure Antworten und eure lieben Worte. [url='http://www.das-dicke-forum.de/forum/index.php?user/5303-%C3%BCppig70/']@Üppig70[/url] Du hast so recht mit deinen Worten, dass man nicht gegen sich kämpfen darf.. Und dass man liebevoll mit sich umgehen muss. Aber wie du schreibst, es ist manchmal sooo schwer.. Ich versuche mich immer wieder dazu zu bringen, mich selbst nicht so zu hassen und zu verurteilen für meine Fehler. Stattdessen Verständnis aufbringen. Aber das ist wirklich eine Herausforderung. [url='http://www.das-dicke-forum.de/forum/index.php?user/5149-vonabisz/']@vonAbisZ[/url] So ganz genau benennen kann ich es nicht, es ist unterschiedlich. Manchmal ist es eine Art mich belohnen wollen oder trösten wenn es mir schlecht geht. Manchmal ist es ein Gefühl von unbändigem Hunger der nicht gestillt werden kann.. Ich finde auch dass es irgendwie hilft sich mit den Ursachen auseinander zu setzen [url='http://www.das-dicke-forum.de/forum/index.php?user/3831-lisa-cortez/']@Lisa Cortez[/url] Damit hast du völlig recht. Ich seh es genauso. Und dumm ist, dass man es trotz dem Wissen nicht hin bekommt was zu ändern. Antidepressiva hab ich bis vor kurzem genommen für einige Monate. Die haben die Gewichtsproblematik noch verschlimmert natürlich..
  • Hallo Tanja, schön, dass du dir hier einiges von der Seele geschrieben hast. Ich habe seit der Pubertät auch eine massive Essstörung, die allerdings in einer Persönlichkeitsstörung ihre Wurzeln hat (das habe ich nach langer Therapie rausgefunden, gar nicht so leicht, nachdem immer nur die Essstörung behandelt wurde) und Depressionen. In vielem, was du schreibst, finde ich mich wieder. Dieses Tröstende, Belohnende beim Essen kenne ich auch sehr gut. Zum Thema Antidepressiva möchte ich aber noch sagen, dass sie den Stoffwechsel verlangsamen können, nicht müssen. Sie wirken bei jedem unterschiedlich. Ein bekanntes bei Essstörungen hat mich einfach nur müde gemacht, jetzt nehme ich eins, mit dem ich super zurecht komme.Warst du bei einem Psychiater während dieser Zeit ? Ein guter Psychiater wird mit dir so lange Präperate ausprobieren, bis du eins mit der optimalen Wirkung und möglichst wenig Nebenwirkungen gefunden hast. Viele Grüße, Mystery
  • ..Oh ja Tanja....das *gut-zu-sich-sein* ist nicht immer einfach wenn man Probleme mit der Selbstakzeptanz hat...für mich ist das auch eine lebenslange Aufgabe... Das geht nicht von heute auf morgen....verlange nicht so viel von Dir...immer nur ein Stückchen...das Tempo was für Dich gut ist....das ist jeder Mensch unterschiedlich. Und das hängt von so vielen Faktoren ab... Ich hüpfe auch nicht jeden morgen aus dem Bett und stehe vor dem Spiegel und finde mich toll....aber manchmal schon.... ;) Ich habe mir auch angewöhnt im Spiegel die Dinge an mir zu focusieren die ich gerne mag... mag sein, dass das auch eine *Vermeidungsstrategie* ist, aber mir tut es gut... An guten Tagen schaue ich dann schon mal auf meine größte Problemzone, meinen Bauch.... und dann ist es auch ok. Ich habe ein Gespür dafür entwickelt das Schöne an mir zu sehen zu wollen, statt das weniger Schöne...es gab Zeiten da habe ich auch das Schöne nicht mehr gesehen....und das war nicht gut... Das kennen doch bestimmt Einige von Euch auch....man möchte ausgehen, zieht sich an und fühlt sich wohl und gut angezogen mit der Auswahl....bis der Blick in den Spiegel plötzlich nur noch den Bauch sieht (als würde ich nur aus Bauch bestehen :heul: ) und weg ist der Blick für mein nettes Gesicht, meine hübsche Frisur und meine Ausstrahlung. und mit einem Mal ist die Laune futscht....dann zieht man sich um (etwas was den Bauch besser kaschiert)....aber besser wird´s dann nicht mehr. Und mein Partner ist dann immer *not amused*...
  • Hallo Tanja, so wie du es beschreibst, kenne ich es auch. Für mich ist klar, dass es bei mir Binge Eating war, nur um dem Kind einen Namen zu geben. Ich bin immer noch dick, aber meine Essanfälle sind extrem selten geworden. Was mir wesentlich geholfen hat, war eine möglichst "unbeteiligte" Selbstanalyse, so als wäre ich zwei Personen: die eine das winselnde Häufchen Elend, das sich mit Essen vollstopft, die andere ein emotionsloser Beobachter, der nicht wertet, sondern nur fragt. Du schreibst von unbändigem Hunger. Ich kenne das Gefühl. Was ist es denn, wonach du hungerst? Ist es vielleicht etwas anderes als Nahrung? Oder ist es ein bestimmter Stoff in der Nahrung? Nur so als Beispiel: Wenn mein Körper nach Fett hungert, bringt es nichts, ihn mit Zucker vollzustopfen, oder umgekehrt. Wenn meine Seele nach Freiheit oder Zuwendung hungert, bringt Essen mir das nicht. Ich bin als Kind ja wie so viele auch derartig konditioniert worden: wenn das Baby weint, wird es gefüttert. Das Baby weint aber vielleicht, weil es sich in seinem Bettchen allein fühlt. Mütter tragen hierzulande ihre Babys nicht ständig auf dem Rücken herum. Da die Mutter nicht Gedanken lesen kann, denkt sie ans Nächstliegende: Baby hat Hunger. Dann gibt die Mutter dem Kind Nahrung, und in dem selben Moment kümmert sie sich ja auch ums Baby, und für das Baby ist das Gefühl von Alleinsein weg. Was lernt das Baby? Allein fühlen - Nahrung - nicht mehr allein fühlen. Und was lernt die Mutter? Baby weint - essen geben - Baby ruhig. Wenn das dann mal fest im Hirn verdrahtet ist, wird das Baby auch als Erwachsener essen, wenn das Gefühl von Alleinsein aufkommt. Bloss dass es nicht mehr "wirkt", weil es ja nicht dass Essen war, das das schlechte Gefühl beseitigt hat, sondern die Zuwendung der Mutter beim Füttern. Das war jedenfalls bei mir eigentlich immer der Trigger für Essanfälle: wenn ich mich allein, ausgegrenzt, abgelehnt, im Stich gelassen fühlte. Ich habe sehr mühsam gelernt, wirksamere Gegenmittel gegen derartige Gefühle zu verschaffen. Hilfe, Zuwendung, aber auch das Wissen, dass ich bei vielen Dingen mir selbst Anerkennung, Lob, Erfolgserlebnisse verschaffen kann, ohne von anderen Menschen abhängig zu sein. Es wäre ja mal eine Idee, zu überlegen, was dein Hunger ist.
  • Ich halte Essen für die Droge der "braven", angepassten Mädchen, denn es ist völlig legal und leicht zu beschaffen. Trost durch irgendwelche Sachen brauchen andere Leute ja auch. Nur wählen die dann : Nicht-Essen, exzessives Arbeiten, Spiel, Alkohol, Sex, social media, illegale Drogen, Medikamente, Sport etc. Die Frage ist nicht nur: weshalb man Trost braucht, sondern warum man persönlichkeitshalber so aufgestellt ist, dass man sich ESSEN aussucht? Und dazu noch SWITCHEN, das heißt, man bleibt gar nicht bei einer Essstörung, sondern verweigert oder trinkt das Fläschen abwechselnd (um bei Sophies Baby- Bild zu bleiben). liebe Grüße Lisa
  • Ich finde den Zusammenhang zwischen seelischer/körperlicher Zuwendung und Essen auch einleuchtend. Meine Mutter nutzt Essen bis heute zur Gefühlsregulierung und als Krücke, um andern ihre Zuwendung auszudrücken, die sie anders nicht zu geben in der Lage ist und so habe ich das quasi doppelt erlernt. Auerdem hat familiär und auch kulturell bedingt Essen in meiner Kindheit auch immer die Bedeutung von Wertschätzung für den anderen beinhaltet. Man ehrte das Gegenüber indem man ihm grundsätzlich ein fürstliches Mahl auftischte. Meine Omas taten das Ihrige, auch durch die entbehrungsreiche Kriegs-/Nachkriegszeit geprägt. Meine Tante war bulimisch-/magersüchtig, meine Mutter seit jeher esssüchtig und ich bin irgendwie alles zusammen, bzw. habe alles einmal ausprobiert. Gleichzeitg war Dicksein dennoch, oder gerade deswegen, immer ein immenser Makel. Sowohl behandelte meine Oma meine Tante herablassend, weil sie zu wohlgenährt aussah als auch mein Großvater meine Mutter (da denke ich auch als Mittel um Dominanz auszudrücken). Sie scheuten sich beide auch nicht, dies vor z.T. versammelter Mannschaft zu tun. So bin ich in einer Athmosphäre von emotionaler Vernachlässigung großgeworden gepaart mit hohem Leistungs- und Erwartungsdruck. Und ich habe mich dem, so muss ich es leider sagen bis zu Selbstaufgabe angepasst. Konnte es mir selbst und anderen aber natürlich niemals gänzlich recht machen, weil die Annahme, von vornherein in meinen Bedürfnissen und Sein fehlerhaft zu sein so fundamental in mir verankert war, dass es niemals gut genug sein konnte. Dieses Grundgefühl von Scham und Schuld bin ich nie ganz losgeworden und es hat mich bisweilen zu einem leichten Opfer gemacht für Ausgrenzung und Unterdrückung. Ich möchte den Thread nicht mit meinen Offenbahrungen sprengen, aber ich werde hier gerade wieder ganz hart darauf zurückgeworfen durch einen beruflichen Konflikt. Dennoch kann ich ja vielleicht mit meinen Ausführungen ein Muster beschreiben, was vielleicht auch auf andere zutrifft. Es mag auch eine Generationenfrage sein. Ich würde auch gern hören, wie es jüngere Frauen derzeit empfinden, was ihr Erziehungs- und Sozialisationsmuster angeht.
  • [quote='Angelina','http://www.das-dicke-forum.de/forum/index.php?thread/9724-essst%C3%B6rung-und-depression/&postID=147308#post147308'] So bin ich in einer Athmosphäre von emotionaler Vernachlässigung großgeworden gepaart mit hohem Leistungs- und Erwartungsdruck. Und ich habe mich dem, so muss ich es leider sagen bis zu Selbstaufgabe angepasst. Konnte es mir selbst und anderen aber natürlich niemals gänzlich recht machen, weil die Annahme, von vornherein in meinen Bedürfnissen und Sein fehlerhaft zu sein so fundamental in mir verankert war, dass es niemals gut genug sein konnte. [/quote]Genau diese Stimmung war es, die mich zu Beginn meiner ES-Karriere in die Magersucht trieb. Erst einmal der Wunsch, schlank und akzeptiert zu werden, und dann die dumpfe Hoffnung, dass etwas von dem Leistungsdruck von mir genommen wird, wenn ich abgemagert und "zerbrechlich" wäre, die Hoffnung, nicht immer "die Beste" sein zu müssen. Niemals gut genug. Mit diesem Gefühl lebe ich ein halbes Jahrhundert. Und niemals erwünscht. Eigentlich wollte mein Vater einen Sohn, das hat er mich bis zu seinem Tod immer spüren lassen. In der Schule waren wir immer "zuviele". 50 Kinder in einer Klasse. An der Uni waren wir immer "zuviele". 1000 Leute in einem Hörsaal, der auf 300 ausgelegt war. Lehrstellenmangel, Arbeitslosigkeit, immer waren wir "zuviele". In den Jobs, die meinen Neigungen entsprehen, muss ich mich selbst im 21. Jahrhundert ständig dafür rechtfertigen, wie ich als Frau denn auf die Idee käme, Maschinenbauingenieurin zu sein. Also irgendwie nicht normal. Und jetzt heißt es "Rentnerschwemme". Wenn man sein gesamtes Leben lang das Gefühl hat, eigentlich nicht erwünscht auf diesem Planeten zu sein, eine Last für die Gemeinschaft, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: sich abzappeln bis zum Gehtnichtmehr, um sich in dem Haufen irgendwie an die Oberfläche zu strampeln - und dazu gehört Angepasstsein, Leistung erbringen, etwas für die Gesundheit tun (man will ja nicht dem Gesundheitssystem zur Last fallen), der allgemeinen Schönheitsnorm entsprechen, braver Bürger und Konsument sein. Oder man rebelliert, wird politisch aktiv, verstößt gegen gesellschaftliche Normen (auch Schönheitsnormen), reißt das Maul auf, versucht etwas am System zu ändern. Das kann auch ein unbewusstes Gefühl sein "Ich will nicht euretwegen hungern und dünn sein!" Das kann auch zu unbewusst getriggerten Essattacken führen, oder auch nur "ungesunder" Ernährung. Beides zehrt an den Kräften. Dann der dritte Weg: einfach aufgeben. Das kann dann auch zu Trostessen, Sich mit Essen betäuben, oder auch Nichtessen führen. Das sind aber nur meine Empfindungen, bei anderen Menschen meiner Generation kann es ganz anders sein.
  • liebe sophie ich bin in etwas in deinem alter, und es stimmt so sehr, was du da geschrieben hast. ich wünschte, ich könnte so gut mit worten umgehen. vielen dank für deine darstellung, hat in mir etliches angesprochen.
  • Liebe Sophie, :danke: Wie wichtig es doch ist, unsere Gefühle und Erfahrungen auszudrücken bzw. die Gefühle und Erfahrungen von Anderen zu hören / lesen ! Du hast das "zu viele" angesprochen. DAS kenne ich auch. Ich hatte es aber so sehr verinnerlicht, daß ich es gar nicht mehr "auf dem Schirm" hatte - bis ich gerade Deinen Beitrag gelesen habe. Ich hatte es nicht mehr als belastende Erfahrung auf dem Schirm. Aber wenn ich ganz tief in mich reinspüre, dann ist das "zu viele" - beispielsweise jetzt bei der "Rentnerschwemme" - auf irgendeine seltsame Weise auch noch mit persönlicher Schuld oder so was verknüpft? So als ob gerade jetzt auch noch ich daherkomme, um etwas zu beanspruchen - wo es eh schon nicht genug für die vielen anderen gibt ... ??? Danke Dir, Sophie. Du hast mir da wieder mal etwas bewusst gemacht - Liebe Grüße
  • Liebe Sophie, ja all die Beweggründe kenne ich auch. Komischerweise ist bei mir ein Grund zum Überessen heutzutage, dass ich es nicht fertigbringe, mir etwas zu versagen. Ich war so lange magersüchtig und habe mich diszipliniert. Und jetzt möchte ich gut zu mir sein....auf Grund meiner körperlichen Einschränkungen bleibt aber oft nur das Essen übrig. Ausgehen, Kino, Sport , Verabredungen - das muss ich so oft absagen wegen Schmerzen. Aber Essen - das geht fast immer ( außer bei Migräne). Dann verreisen die anderen in eine interessante Stadt - und ich liege zuhause und esse eine Tafel Schokolade.:( Ich glaube, ich habe es auch anders erfahren als Sophie : Für mich symbolisiert Dünnsein Gefühllosigkeit, Unabhängigkeit und Disziplin ( nicht etwa : gebrechlich sein ) und dick sein Schwäche zeigen , Hilfebedürftigkeit, Sehnsucht nach Liebe, Weichheit. liebe Grüße Lisa
  • [quote='Lisa Cortez']Ich glaube, ich habe es auch anders erfahren als Sophie : Für mich symbolisiert Dünnsein Gefühllosigkeit, Unabhängigkeit und Disziplin ( nicht etwa : gebrechlich sein ) und dick sein Schwäche zeigen , Hilfebedürftigkeit, Sehnsucht nach Liebe, Weichheit. [/quote] Die Verbindung von körperlichen Zuständen mit Gefühlen (oder auch deren Abwesenheit), bzw. Fähigkeiten oder auch Wünschen finde ich sehr interessant. Ich bin einmal in mich gegangen und habe geschaut, ob ich da Parallelen zu meinen eigenen Assoziationen/Zuschreibungen ziehen kann. Zum Thema Dünnsein fiel es mir leichter, vermutlich, weil ich es nie war und ich es eher als ehemaligen Wunschtraum von mir aus der Distanz betrachte. Meiner eigenen Vorstellung von meinem persönlichen Dünnsein würden auch solche Projektionen anhängen: Wunsch nach Härte, Freiheit und Zielstrebigkeit. Alles Dinge, an denen es mir nach wie vor zu mangeln scheint. Ohne jetzt zu bewerten, ob ein Mehr davon tatsächlich sinnvoll wäre. Und die Themen, die hier eher mit Dicksein in Verbindung gesetzt werden, bzw. symbolhaft als Ausdruck dieser stehen sind die weitaus unangenehmeren, in meiner Wahrnehmung. Ich verbinde es auch mit Furcht, Scham, Zurückweisung, Hilflosigkeit. Also durchaus ganz ähnliche Assoziationsfelder. Da Hinzuschauen scheint mir das Schwerste. Und es ist nach wie vor nach außen zu sehen. Bzw. bin ich in eine Situation geraten, wo es genau um all dies geht. Ich bin zurückgeworfen auf meine größten Ängste und Defizite. In dieser Lage habe ich auch wieder an Gewicht hinzugewonnen. Ich habe es mit höchstmöglicher Anpassung probiert, das hat in mir tiefsitzende Aggressionen ausgelöst, die dann in Unwillen und einer Art kindlichen Trotzigkeit gemündet haben. Und jetzt bin ich dabei zuzugeben, dass ich mir nicht in jeder Lage alleine helfen kann. Es geht nicht, ich habe Grenzen. Vermutlich ist es erlernt, bedürfnislos sein zu wollen, weil die eigenen Bedürfnisse als nicht erwünscht und störend gemarkert wurden. Ich habe gar nicht erst erwartet, dass irgendwer sie befriedigen wollen würde oder dass mir jemand helfen wollen würde. So wie ich es eben einschneidend erlebt hatte. Meine Persönlichkeit als Störenfried und Schuldige an der Situation der Familie, bzw. auch grundsätzlich an meiner eigenen Situation, trotz an sich selbst noch schutzwürdig (ganz jung) zu sein. Mir fehlt gerade etwas die reflektierende Distanz dazu. Sophie hat ja die Möglichkeiten, auf diese Ablehnung, bzw. das vermittelte Gefühl, keinen Platz in der Welt beanspruchen zu dürfen zu reagieren ganz gut zusammengefasst. Gibt es Ressourcen, aus denen man dennoch schöpfen kann, die einem helfen, vielleicht irgendetwas davon transformieren zu können um etwas Stärke zu erlangen, hat jemand da einen für sich guten Weg gefunden? Ich frage das auf einer eher grundsätzlichen Ebene, Hilfsmöglichkeiten durch Freunde, Familie, Therapie sind klar. Aber etwas, was ihr durch eure Erfahrungen, Entwicklungen in euch selbst finden konntet? Oder bin ich wieder auf einem selbstgebauten Holzweg, weil es eben erst über die Hilfe anderer Menschen überhaupt funktionieren kann?
  • [quote='Sophie']Dann der dritte Weg: einfach aufgeben. Das kann dann auch zu Trostessen, Sich mit Essen betäuben, oder auch Nichtessen führen. [/quote] Bis hin zur Selbstzerstörung, wenn Essverhalten irgendwann nicht nur Ventil sondern einziger Lebensinhalt und Mittel sich selbst weh zu tun wird. Ich hatte Phasen, wo ich nahezu in Katatonie gefallen bin und außer Essen so gut wie nichts mehr auf die Reihe bekommen habe. Versagen auf ganzer Linie. Nichtessen bis zum Kreislaufkollaps, außer Sport auch nichts mehr anderes geschafft. Ich spreche sehr ungern darüber und bewundere immer die Menschen, die nebenbei immernoch leistungsfähig gelieben sind. Mir ist das irgendwann nicht mehr gelungen, dafür schäme ich mich bis heute.
  • Das ist nichts, weswegen du dich schämen musst. Der Mensch ist ein biologisches Wesen und hat seine Belastungsgrenzen. Sogar Maschinen haben ihre Belastungsgrenzen und gehen kaputt, wenn diese missachtet werden. Wenn in der Fabrik produziert werden muss bis zum Gehtnichtmehr, Wartungsintervalle außer Acht gelassen werden, kleine Reparaturen unterbleiben - man darf sich ja keinen Stillstand erlauben - versagt irgendwann das schwächste Glied in der Kette, und es kann gar nichts mehr produziert werden. Dann steht der ganze Laden. Ich bin schon ein Vierteljahrhundert in meinem jetzigen Job und in der Arbeitnehmervertretung. Was ich da schon erlebt habe... Das Motto in der Arbeitswelt und auch sonst ist: wer nicht offensichtlich überlastet ist, ist noch nicht genug ausgelastet. Es hat also System, die Menschen bis über ihre individuelle Belastungsgrenze zu treiben. Die ersten, die schlappmachen, werden als Versager gebrandmarkt. Solange es noch einen einzigen (jung, befristet beschäftigt, keine Famile) gibt, der durchhält, sind alle anderen "Minderleister". Viele verbergen ihre Überforderung, arbeiten heimlich zu Hause, vertuschen Fehler usw. Oder spüren gar nicht mehr, dass sie ihre Grenzen missachten, weil das alles so normal ist. Was natürlich dazu führt, dass sie noch mehr aufgebürdet bekommen - solange keiner umfällt, ist alles OK. Das gilt ja auch für andere Bereiche als den Beruf: Schulleistungen, Erfolg beim anderen Geschlecht, Party machen, Netzwerken, Gesundheit, Schönheit, Finanzen, Statussymbole.... Bis der Körper den Not-Aus drückt. Wenn du dich mit jenen vergleichst, die anscheinend leistungsfähiger als du sind, weißt du nicht, was davon nur Fassade ist, und mit welchem Preis das Leistungsschaulaufen jetzt oder in Zukunft bezahlt wird. Ich habe schon so manchen Supermann heulend bei mir im Büro sitzen gesehen. Und ich war auch schon auf ein paar Beerdigungen von solchen, die verächtlich auf jene herabgesehen haben, die krank und schwach sind. Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen. Ich halte es für wichtiger, die Stärken auszubauen, und die lebensnotwendigen Skills (Selbstbehauptung, Konfliktfähigkeit, Umgehen mit Misserfolgen, Ängste überwinden) auf ein "gesundes" Maß hochzutrainieren, anstatt das Leben damit zu vergeuden, die Schwächen etwas aufzupimpen. Hat schon mal jemand Rollenspiele wie DSA, Drakensang oder so gespielt? Du kannst deine Spielfigur niemals zum Allroundtalent machen. Du musst dich entscheiden: Zauberer, Bogenschütze, Haudrauf-Tank usw. und dann die passenden Skills hochzüchten. Jeder dieser Typen hat an anderen Stellen des Games massive Probleme, aber letzten Endes kann man mit allen ans Ziel kommen. Sich klar zu werden, was bin ich wirklich?, das ist eigentlich der schwerste Teil, weil das So-bin-ich durch so viele Bilder und Forderungen von außen überlagert wird, da weiß man nicht auf Anhieb, was ist meins und was nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Hilfe nie von außen kommen kann. Andere Menschen können für mich Trainingspartner, Feedbackgeber, Tippgeber sein, aber die Arbeit muss ich selbst tun. Ein Fitnesstrainer kann mir noch so oft sagen, wie ich die Hanteln anfassen und anheben muss, letzten Endes muss ich sie auch anpacken und in Bewegung setzen. So ist es mit allem.
  • Liebe Angelina, Sophie hat schon vieles so gut zusammenfaßt - deshalb von mir nur ein paar kurze "Zusätze". - ich möchte untermauern, daß es überhaupt keinen Grund gibt, sich zu schämen. Was Du beschreibst, sind Versuche Deines Körpers, Versuche der Lebenskräfte, mit einer unerträglichen Situation fertig zu werden. Susie Orbach hat es "Anpassungsversuche" genannt. Solche Anpassungs- oder "fertig-werd"-Versuche können tatsächlich "untauglich" oder schmerzhaft sein. Aber es ist die beste "Antwort", die der Körper in dieser Situation geben kann. - wenn die Dinge zu unerträglich werden, oder der Druck zu groß, geht bei Jedem irgendetwas "vom Netz". Beim der einen Person geht dann vielleicht ein Organ oder Organsystem "vom Netz", ein anderer büßt vielleicht seine Fähigkeit ein zu arbeiten / zu funktionieren / seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das ist BIOLOGISCH und hat nichts mit "Versagen" oder so was zu tun. - Du hast gefragt, ob es dennoch Ressourcen gibt, aus denen man schöpfen kann? Und ob man etwas transformieren kann? Ich kann dazu aus meiner persönliche Erfahrung folgendes mit Dir teilen - Dir mit-teilen: - wenn man seine inneren Einstellungen "transformieren" will, ist es gut, wenn man sehr aufpaßt, daß man nicht wieder in einen Modus der Anpassung an äußere Erwartungen fällt - oder gar in eine Über-Anpassung. Ich meine damit, daß wir heute ein wenig unter einem "Zwang" stehen, "positiv denken" zu müssen und nur positive Emotionen zu haben. "Sei glücklich!" scheint das Gebot zu lauten. Wie einem äußeren Ideal, "sollen" wir heutzutage auch einem ungeschriebenen Inneren Ideal folgen und entsprechen. An dieser Stelle muß man vorsichtig sein, daß man nicht die Authentizität verliert. Wenn Du wütend bist, dann bist Du wütend, und das ist okay. Wenn Du traurig bist, bist Du traurig, und auch das ist okay. Wenn Du Dich leer fühlst, fühlst Du Dich leer, und auch das ist okay. Es sind nur Gefühle. Es sind nur Erfahrungen, wie Gefühle sich anfühlen. - Du kannst natürlich "mit den Gefühlen arbeiten": sie Dir bewusst machen, oder sie direkt "fragen", warum sie da sind, was sie von Dir wollen, daß Du tun sollst ... etc. Manchmal ist es aber so, wie Susie Orbach es schon vor langer Zeit gesagt hat: Manchmal kann man Gefühle nur einfach wahrnehmen und aushalten. Einfach aushalten. Und weiter atmen. Aus und ein ... aus und ein ... Manchmal kann man Gefühle nicht willentlich "transformieren". Oft transformieren sie sich irgendwann von selbst - aber in ihrer eigenen Geschwindigkeit, und das kann man kaum beschleunigen. - "meine" Ressourcen, aus denen ich dennoch Kraft schöpfe, sind kreative Tätigkeiten. In meinem Fall, gerade zur jetzigen Zeit, vor allem Stricken. Die gesundheitlichen und Gehirn-Hälften-verbindenden Impulse des Strickens sind inzwischen so bekannt, daß Stricken in England von Ärzten verschrieben wird. Aber das bin nur "ich". Du magst vielleicht malen, fotografieren, töpfern, schreiben ... in der Natur sein, im Garten unter einem Baum liegen ... oder was Dir sonst gut tut. Ressourcen, aus denen Du Kraft schöpfen kannst: alles, was Dir gut gut. Alles was Dich glücklich macht. Alles, wo Du Dich "in Deinem Element" fühlst ... Ganz liebe Grüße sendet Dir Issi
  • Sophie & Issi, ganz lieben Dank schonmal für eure Worte. Es hilft mir viel, das, was ich oft schon selbst gedacht, oder anderen mitgeben habe, auch einmal selbst gesagt zu bekommen. Es scheint immer alles so klar, wenn es um andere geht, als um mich. Bin ich selbst plötzlich das Zentrum der Ereignisse, dann geht in diesem Gefühlswirrwarr manchmal mein Durckblick flöten;-) Bin durch den ersten Teil der Konflikteskalation nun durch, der weitere wird folgen und eine Entscheidung wird getroffen werden müssen. Ich weiß noch nicht, ob ich mich entscheiden werde, näheres zu berichten, denn das gehört nicht in diesen Thread. Heute kann ich aber vermutlich wieder etwas Essen, was in den letzten Tagen kaum möglich war. Aber der Hunger brennt nun, es ist also Zeit, zu mir wieder zurückzukehren.
  • Hallo Angelina [quote='Angelina','das dicke forum']Die Verbindung von körperlichen Zuständen mit Gefühlen (oder auch deren Abwesenheit), bzw. Fähigkeiten oder auch Wünschen finde ich sehr interessant. [/quote]Genau das bedeutet für mich Essstörung. Essstörung ist nicht sich satt essen, auch nicht schlemmen oder genießen,, sondern dass man eigentlich immer seine Gefühle übers Essen ausdrückt oder Wünsche oder Gedanken. Nicht die Esstörung sorgt dafür, dass es mir schlecht geht - [i]sondern es geht mir wirklich schlecht[/i]. Nur dass will ich bewusst ja nicht zugeben. Als das mit der Esstörung nicht mehr funktionierte, habe ich mir dann ein anderes Feld ausgesucht und wurde psychotisch. Und [i]DAS[/i] ist wenigstens eine richtig ernste Geisteskrankheit, etwas Dramatisches , nicht so was wie Essen und Hungern und sich übergeben..... Mittlerweile will ich das alles nicht mehr. Ich bin an dem Punkt, wo ich mir sage: "Ich bin durch damit. Ich möchte einfach ein Mensch sein, so unperfekt wie ich bin[i] UND[/i] ich möchte lieb gehabt werden!" Ich will dazu stehen, dass ich andere Menschen brauche und nicht alles allein in mich [i]REINFRESSE [/i](.....ja genau, das ist das richtige Bild.) Wie ihr schon schreibt: Wir sollen glücklich sein. Erfolgreich, schlank, gesund,[i] so wie in der Werbung für Damenbinden...[/i].... Wie gesagt, der Verstand ist nicht das Problem. Ich glaube, wir können alle analysieren, unsere Probleme auseinanderpflücken, Kalorientabellen lesen, gut kochen, nachbeten, dass Sport ja supergesund ist und sogar [i]flow[/i] verursacht ( ich bekomme bei Sport keinen flow, sondern in der Bibliothek, aber egal). Das Problem machen die Gefühle.[b] Mein Gefühl glaubt nicht, was der Verstand ihm sagt.[/b] liebe Grüße Lisa
  • Liebe Lisa, und wie ist es anders herum? Glaubt der Verstand, was das Gefühl sagt? Das jedenfalls war für mich lange das Problem: wieder darauf vertrauen, was mein Gefühl sagt ... Heute bin ich so weit, daß ich im Zweifelsfall mehr darauf vertraue, was das (Bauch-) Gefühl mir sagt ... Die Übung kann in beide Richtungen laufen ... - Liebe Grüße, Issi
  • Liebe Issi, du hast Recht. Gefühl und Verstand leben getrennt von Bett und Tisch. liebe Grüße Lisa
  • Um bei dem Bild zu bleiben: Wie kriegt man die beiden dazu, wenigstens mal miteinander zu reden? Das war für mich ein immenses Stück Arbeit, das "innere Kind" oder erst recht das "innere Tier" zu respektieren. Wenn ich diese Schichten meiner Persönlichkeit nicht respektiere, erkenne ich ja einen Teil von mir selbst nicht an, und das kann nicht gesund sein. Ich bin ein sehr vernunftbetonter Mensch, aber oft erscheint es mir so, dass ich für meine Umgebung nie vernünftig genug sein kann. Gefühle zu haben, und erst recht zu zeigen, ist irgendwie tabu. "Sei doch venünftig." Das ganze Gefühlsleben wird nach meinem Empfinden outgesourct nach Film und Fernsehen. Da darf geprügelt, geheult, gealbert werden, was das Zeug hält, aber wehe, im wirklichen Leben tanzt jemand aus der ordentlichen Reihe und ist mal nicht dauergutgelaunt, oder einfach nur erschöpft. Diese Erziehung hat ihre Wirkung bei mir gezeigt. (Und bei meiner Persönlichkeit ist das ja auf fruchtbaren Boden gefallen.) Durch das ständige Ignorieren, Verleugnen und Verstecken von Gefühlen (bevorzugt bei negativen Gefühlen) nimmt man sie irgendwann nicht mehr wahr, so wie den Fleck auf der Tapete. Aber sie sind noch da, und schleichen hintenrum ins Leben rein und wollen ausgelebt werden, irgendwie, und sei es in "Verkleidung". Das was Issi schreibt, ist sehr wichtig: ich schätze mal 90% unseres Lebens arbeiten wir daran, "vernünftig" zu sein. Ich glaube aber, wir können nur dann "ganz" sein, wenn wir auch unsere Emotionen anschauen, und wenn sie noch so hässlich sind.
  • Sophie, was du im letzten Beitrag darüber, Gefühle zu haben und auch zu zeigen schreibst, finde ich interessant. Ich erlebe es auch so, dass es in der Öffentlichkeit mehr oder weniger ein Tabu ist, Gefühle zu zeigen. Zum Glück habe ich aber auch schon erlebt, dass es immer noch Menschen gibt, die mitfühlend reagieren, wenn man es tut. Ich bin und war schon immer ein sehr gefühlsbetonter Mensch. Meine Eltern haben lange versucht, diese Seite meins Charakters wegzurationalisieren. Ich denke, dass ich unter anderem deshalb eine Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelt habe und lange nur das "entweder-oder" kannte. Also entweder wirkte ich auf meine Umwelt total abwehrend und verschlossen, weil ich nur ja keine Gefühle zulassen oder gar zeigen wollte. Oder sie explodierten irgendwann und waren dann so heftig, dass sie mich und andere erschreckt haben. Also Weinanfälle, Wutanfälle....irgendwann habe ich diese Gefühle ausschließlich gegen mich selbst gerichtet, um meine Umwelt zu "schützen". Das ging bei meinem ersten stationären Aufenthalt so weit, dass ich kaum noch Mimik hatte, sondern auf meine Umwelt total abwesend wirkte. Letztendlich habe ich auch das Essen als Betäubungsmittel und Medikament gegen Gefühle benutzt, denn dieser Zwiespalt, ständig von außen vermittelt zu kriegen "du bist nicht richtig so wie du bist !" und gleichzeitig teilweise so heftige Gefühle zu haben war anders nicht auszuhalten. Seit ich gelernt habe, die Abstufungen meiner Gefühle zu entdecken, bemerke ich einen anderen Nebeneffekt dieser Erziehung : Eine ausgeprägte Abneigung gegen alles "Vernünftige". Ich lerne immer noch, meinen Verstand einzusetzen und an meinen Entscheidungen teilhaben zu lassen, damit nicht meine Impulsivität vollends das Steuer übernimmt. Auch, dass Dinge wie mit Geld zu haushalten/Ordnung zu halten nicht langweilig sind, nur weil sie vernünftig sind. Was mir gut tut, ist, meine Impulsivität in Bereichen auszuleben, wo es mir nicht schadet. Dadurch bekommt sie ihren Platz in meinem Leben und bricht nicht einfach so durch. Die gute Kehrseite ist, dass ich eine starke Intuition habe, die ich auch bei Entscheidungen nutze. Zum Beispiel, welche Menschen mir gut tun und welche nicht. Da habe ich eine hohe Trefferquote. [quote='Sophie','http://www.das-dicke-forum.de/forum/index.php?thread/9724-essst%C3%B6rung-und-depression/&postID=147350#post147350']Das was Issi schreibt, ist sehr wichtig: ich schätze mal 90% unseres Lebens arbeiten wir daran, "vernünftig" zu sein. Ich glaube aber, wir können nur dann "ganz" sein, wenn wir auch unsere Emotionen anschauen, und wenn sie noch so hässlich sind. [/quote] Ich kann vieles davon unterschreiben. Emotionen haben ihre Berechtigung, auch wenn sie manchmal anstrengend und kräftezehrend sind. Und auch, wenn man manchmal erst später weiß, warum man sich in dem Moment so gefühlt hat. Man sollte versuchen, sich nichts einreden zu lassen ,was eigene Gefühle betrifft, sondern zu einem Experten für sich selbst zu werden.
  • In der psychotherapie ist mittlerweile der ganzheitliche Ansatz von psychosomatischer Wechselwirkung und der Akzeptanz des eigenen Selbst mit allen Eigenschaften angekommen.