Forschungsreise in Sachen "Meine Essstörung"

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  • [B][COLOR=Blue]Trigger-Warnung[/COLOR][/B] Ihr Lieben, ich bin hier ja schon länger angemeldet, aber nicht besonders aktiv. Jetzt möchte ich das Forum nutzen, um mich mit meiner Essstörung auseinanderzusetzen. Das bedeutet für mich, dass ich einfach mal verschiedene Asekte beleuchte, dinge, die mir durch den Kopf schwirren, mächtige Gefühle, die hochschwemmen... Tatsache ist, dass ich seit traurigen 35 Jahren, vielleicht schon länger, essgestört bin. Ich erinnere mich, dass ich als Kind UHU-Kleber gegessen habe, manchmal eine ganze Tube hintereinanderweg! Ich habe einfach dieses scharfe, brennende Gefühl im Mund geliebt... Das war während der Grundschulzeit. Einmal kam ich in Erklärungsnot, als mein Bruder ein Bastelbuch und ich eine dazu passende Tube UHU geschenkt bekam. Meine Großmutter wollte nicht glauben, dass ich Kleber geschenkt bekommen hatte (warum eigentlich nicht??), und wollte sich die Tube zeigen lassen. Die war aber inzwischen leer, ich hatte alles innerhalb einer halben Stunde verdrückt. Diese etwas schräge Form der Essstörung hat sich dann beim Übergang zur Pubertät zurückgebildet. Ersetzt wurde sie durch Essanfälle. Meine erste Erinnerung reicht zu einer Reise zurück, die ich mit elf (!) Jahren machte. Meine Eltern setzten mich damals alleine in den Zug nach Südfrankreich, wo ich eine Familie besuchen sollte, die wir vor 5 Jahren zuletzt gesehen hatten. Ich freute mich auf den Besuch, aber als ich dann am Bahnhof stand, und keiner zum Abholen da war, ohne französisches Kleingeld oder Französischkennnisse (ich hatte in der Schule gerade erst mit Englisch begonnen, was einmal damals in Frankreich so gut wie nichts nutzte...), naja, ihr könnt euch vorstellen, wie ich mich fühlte. Der Aufenthalt lief gar nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte; keiner hatte zeit für mich; die Freundin von früher war fast nie da; ich zog mich zurück und las alte Exemplare der "Gartenlaube". Zwischendurch schlich ich mich nach unten in die Küche, wo ein riesiges Nutellaglas stand, das ich nach und nach leerschaufelte. Es war mir peinlich, mit dieser "Marotte" aufgezogen zu werden. Ich war einfach hoffnungslos überfordert von der Situation, alleine bei quasi fremden Menschen zu sein, ohne mich verständigen zu können. Gleichzeitig lastete der Druck, französisch lernen zu sollen auf mir. Meine erste bewusste Erinnerung ans Überessen. Als mir diese Situation vor ein paar Jahren bewusst wurde, wurde mir auch klar, dass ich in einer ständigen Überforderung groß geworden bin. Diese wurde in den letzten Jahren (als Alleinerziehende) so übermächtig, dass sie in einen echten Burn Out überging. Wenigstens habe ich diesen einen Auslöser für Essanfälle erkannt und meine Ansprüche an mich enorm heruntergeschraubt (was mir sehr sehr gut tut). Leider zeigt sich meine Essstörung resistent. Während meine Depressionen sich sehr zurückhalten und nur noch selten für kurze Zeiten auftreten, ist das Überessen mein fast ständiger Begleiter. Ich sehe als Hauptursache, dass ich in einer Lebenssituation gefangen bin, die ich von mir selbst abschneidet. Vor ca. zehn JAhren war ich verheiratet. Ich arbeitete als freiberufliche Heilpraktikerin und konnte leider meine Praxis aus finanziellen Gründen nicht weiter führen, zumal mein Mann keine Arbeit fand. Dieser berufliche "Tiefschlag" hat mich in eine echte Krise geschleudert. Während meiner Schwangerschaft stellte sich heraus, dass mein Mann mich seit über zwei JAhren mit einer Frau betrog, mit der er sich sogar verlobt hatte. Ich trennte mich (natürlich!!!), aber der Stachel, dass "sie" jünger und attraktiver war als ich, saß tief und ging eine ungute Allianz mit dem beruflichen "Scheitern" ein. In schaltete auf "Robotermodus" (ich musste eine neue WOhnung finden, mich alleine auf die Geburt vorbereiten etc.) Die Belastung, ein Baby alleine großzuziehen (Stichwort. Schlafmangel) brachte mich an den Rand des Wahnsinns; ich wurde schwer krank, und erst, als ich "am Ende" war, setzt ich mich mit allem auseinander, was in den letzten Jahren geschehen war. Gab es mich überhaupt noch? War ich noch ein Mensch mit eigener Existenzberechtigung? Warum hatte ich "alles" in den Sand gesetzt? Andere fingen mit 40 ein neues Leben an, weil die Kinder aus dem Haus gingen, aber bei überschnitt sich das Muttersein mit den ersten Frühsymptomen des Klimakteriums. Es war ein furchtbare Zeit, ich dachte allen Ernstes, mein Leben sei vorbei. Ich existierte nur noch. Und ernährte mich buchstäblich nur noch von Süßigkeiten. 500 g am Tag, manchmal mehr. Schoko, LAkritz, Bonbons, von jeder Sorte musste ich etwas im Hause haben, sonst bekam ich Panikanfälle. Zum Glück habe ich diesen Wahnsinn überwunden und wieder zu mir selbst zurückgefunden. ABER: Ich bin nun schon sehr lange arbeitslos, ohne PArtner, und kann abends / am Wochenende nicht mehr weg. Dadurch sind meine sozialen Kontakte quasi auf andere Mütter beschränkt, was sehr nett sein kann, mich aber nicht nährt. Will ich ienmal weggehen, bin ich auf BEtreuung angewiesen, die ich mir (da arbeitslos) nicht leisten kann. ICh merke, dass ich verstärkt in alte Selbstzweifel zurückfalle. Ich will diese Essanfälle nicht mehr; wenn ich, z,B, in der Ferien, zuviel Zeit allein mit meinem Kind verbinge, überesse ich mich unweigerlich. Mir fehlt meine alte Tanzgruppe. Ich arbeite als Autorin, kann aber zu keinen Autorentreffs oder Lesungen gehen, weil ich keine Kidnerbetreuung habe. Das alles schneidet mich von mir selbst ab, von der Frau, die ich eigentlich bin. Und einen neuen PArtner finde ich so auch nicht unbedingt leichter. Wird der Frust zu groß: Essattacke. Und auf einmal steht dieses große, hässliche Wort EINSAMKEIT an meinen Wänden geschrieben. zusammengefasst kann ich sagen, dass ich die Ursachen für meine Essstörung messerscharf analysieren kann, dass mir dies jedoch kaum hilft, solange meine Lebenssituation sich nicht ändert. So. Nun habe ich mir mal einiges vom Herzen geschrieben. Danke fürs Zuhören. Beziehungsweise Lesen ;)
  • Du hast ja bereits viele möglichen Ursachen für Deine Essstörung identifiziert, aber um ehrlich zu sein, wäre die Essstörung nicht das, wo ich als erstes den Hebel ansetzen würde. Sie scheint mir 1. eher ein Symptom und 2. hast Du im Augenblick für mein Empfinden gar nicht die Stabilität, um dagegen anzutreten. Die sollte jetzt erstmal das Ziel sein. Du schreibst, Du bist gelegentlich mit anderen Müttern unterwegs. Was spricht dagegen gegenseitig mal die Kinder zu hüten, so dass immer eine Mutter aus dem Alltag ausbrechen kann? Gibt es keine Großeltern oder Freunde, die mal mit anpacken können? Wie wäre es mit einer Mutter-Kind-Kur? Dort wird das Kind den ganzen Tag gut unterhalten, während Du ein bisschen zu Dir selbst finden kannst. Es gibt auch geförderte Kinderreisen. Ich habe da was für die Gruppe von 8 bis 14 Jahren gefunden, das müsste für Deinen Nachwuchs passen, wenn ich richtig gerechnet habe. Jetzt erstmal Kopf hoch. Ich bin sicher, dass Dir hier noch einige hilfreiche Antworten ins Haus stehen. Das mit dem Kleber will ich mir übrigens gar nicht vorstellen. Erstaunlich, was so ein Körper wegstecken kann, wenn 's drauf ankommt *grusel*.
  • [COLOR=#363533][FONT=Verdana]Henkersmaid hat schon sehr gute Tipps gegeben, hinzufügen möchte ich noch, dass du eventuell auch einmal die Telefonseelsorge anrufen könntest, denn dort gibt es auch Vorschläge und Adressen mit Menschen die dir helfend zur Seite stehen könnten. [/FONT][/COLOR] [COLOR=#363533][FONT=Verdana]Das habe ich noch gefunden - der "Bundesverband der alleinerziehenden Mütter und Väter e.V." hat ein Broschüre heraus gebracht „alleinerziehend – Tipps und Informationen“ [URL='http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/publikationen,did=3144.html']HIER [/URL]kannst du diese Broschüre kostenlos bestellen … vielleicht gibt es dort auch noch Tipps an die wir hier nicht gedacht haben.[/FONT][/COLOR] [COLOR=#363533][/COLOR] [COLOR=#363533]Ich wünsche dir alles Gute :)[/COLOR]
  • Hi Enja, gibt es an dem Ort, wo die wohnst, einen Tauschring? Das wäre eine gute Möglichkeit, eine Kinderbetreuuung in Anspruch nehmen zu können. Ich erkläre dir kurz das Konzept: Mitglieder in Tauschringen tauschen untereinander Waren und Dienstleistungen ohne dafür Geld zu verlangen. Die Idee ist die Wiederbelebung der früheren Nachbarschaftshilfe ( das ist auch wichtig für eventuelle Haftung) Bei den monatlichen Tauschringtreffen lernt man die anderen kennen. Ich bin selbst seit ein paar Monaten Mitglied in einem von denen hier: [url]http://de.wikipedia.org/wiki/Tauschen_ohne_Geld[/url] lies dir das Konzept durch, vielleicht ist das was für dich. ( es gibt aber auch noch andere Tauschringseiten, falls nix in deiner Nähe dabei ist) liebe Grüße Lisa
  • Vielen Dank für eure Tipps und Antworten! Es stimmt, ich sehe die Essstörung als eine wütende, leider auch selbstzerstörerische Reaktion auf meine momentane Situation. Die Idee mit dem Tauschring finde ich super, dass ich da noch nicht draufgekommen bin! Großeltern etc. stehen ja leider nicht zur Verfügung. Ich habe natürlich gelegentlich mal ein bisschen freie Zeit, weil mein Kleiner bei einem Freund schläft etc. Aber um an dem teilzuhaben, was mir mir wichtig ist, brauche ich regelmäßige und zuverlässige Betreuung, das habe ich im Tausch bisher nicht hingekriegt, weil die BEdürfnisse eben doch unterschiedlich sind, oder die Stadtteile zu weit entfernt, dann wird es wieder kompliziert. Eine Mutter-Kind-Kur will ich auf jeden beantragen. Den Alleinerziehenden-Ratgeber habe ich, aber der bezieht sich hauptsächlich auf rechtliche Dinge wie Unterhalt u.ä. Mir geht es jatzt aber auch schon wieder ein bisschen besser. Nochmal Dank an euch!
  • Es gibt in vielen Städten auch Gruppen der alleinerziehenden Mütter und Väter. Man hilft sich untereinander, auch in der Kinderbetreuung. Vielleicht gubts ja eine Gruppe auch in deiner Nähe. Für mich war diese Gruppe damals unendlich wichtig und hilfreich.
  • Könntest du vielleicht an deine alte Heilpraktiker-Ausbildung anknüpfen? Vielleicht zusammen mit einem/einer anderen Heilpraktiker/in am Ort, z.B. stundenweise, dass du wieder fachlich reinkommst? Oder von zu Hause aus arbeiten? Wenn der Kleine in der Schule ist, müsstest du doch Luft haben.
  • Also, ich habe mich erst einmal auf die Suche nach Tauschbörsen in Hamburg gemacht; da gibt es natürlich einige, und ich werde demnächst versuchen, mich einzuklinken, um dann auf Kinderbetreuung zurückzugreifen. Das einzige Problem ist,dass man sich nur vor Ort abends anmelden kann, und da habe ich keine Kinderbetreuung :grins: Aber das kriege ich irgendwie hin, vielleicht gibt es einen Wochenende-Termin, da schleppe ich ihn dann mit. Meine Essanfälle haben sich auf jeden Fall gebessert, seit ich hier geschrieben habe; zu dem Zeitpunkt waren die Süßigkeitenmengen wirklich extrem. Jetzt esse ich immerhin so, dass "zwischen" den Süßigkeiten normale Mahlzeiten möglich sind, weil ich Hunger habe, und die mir dann auch schmecken. psychisch geht es bergauf- und bergab, aber insgesamt auf jeden Fall wieder besser. AUßerdem habe ich mich ganz gezielt in Plus Size-Blogs herumgetrieben und merke, dass mir das sehr gut tut, wenn ich nicht immer mit diesen Schlacnkbildern konfrontiert bin. Mir fehlt nämlich eine Eigenwahrnehmung mit den 20 Kile mehr, die ich jetzt habe; irgendwie erwarte ich ímmer noch, das "alter Ich" im Spiegel zu sehen und bin dann unzufrieden. Durch die vielen anderen Bilder ändert sich das was bei mir. Außerdem miste ich aus und räume die WOhnung um, das tut extrem gut! @Sophie: Das Problem ist, das ich als Heilpraktikerin nicht zu Hause arbeiten darf; ich muss eine Praxis vorweisen. Außerdem muss ich in der Lage sein, Nachmitagtermine anzubieten, sonst gibt es so wenige Menschen, die Zeit haben. Aber heute NAcht habe ich geträumt, ich hätte drei Jobs zur Auswahl. Vielleicht ist das ja ein Zeichen...?!? Danke an alle für eure Anteilnahme und Anregungen!
  • [quote='Enja','http://das-dicke-forum.de/forum/index.php?thread/&postID=134053#post134053']Das Problem ist, das ich als Heilpraktikerin nicht zu Hause arbeiten darf; ich muss eine Praxis vorweisen. Außerdem muss ich in der Lage sein, Nachmitagtermine anzubieten, sonst gibt es so wenige Menschen, die Zeit haben.[/QUOTE] Deswegen meinte ich ja, dass du vielleicht in einer anderen Praxis tage- oder stundenweise mitmachen könntest, schon um wieder reinzukommen. Schön, dass du dich wieder etwas gefangen hast. Wenn man spürt, dass da Grund unter den Füßen ist, kann man auch wieder etwas zielstrebiger in die Zukunft schauen, anstatt sich von der Panik treiben zu lassen.