Dicke Selbstakzeptanz - noch immer weit davon entfernt

Seit dem 12.12.2020 ist das Forum dauerhaft geschlossen.
Zum Lesen der Beiträge wird es jedoch weiterhin bereitgehalten.
Details zu dieser Mitteilung findet Ihr hier.
Technische Probleme
Leider ergaben sich vor einiger Zeit technische Probleme, die eine Abschaltung der Website und ein Update der Foren-Software erforderlich machten. Ich werde mich bemühen, das Forum in nächster Zeit wieder der gewohnten Optik anzupassen.
Die Beiträge in diesem Forum wurden von engagierten Laien geschrieben. Soweit in den Beiträgen gesundheitliche Fragen erörtert werden, ersetzen die Beiträge und Schilderungen persönlicher und subjektiver Erfahrungen der Autoren keineswegs eine eingehende ärztliche Untersuchung und die fachliche Beratung durch einen Arzt, Therapeuten oder Apotheker! Bitte wendet Euch bei gesundheitlichen Beschwerden in jedem Fall an den Arzt Eures Vertrauens.
  • [quote='Ronja','http://das-dicke-forum.de/forum/index.php?thread/&postID=97824#post97824']Ich kann bzw. konnte es bislang nur schwer ertragen, wenn mich jemand "doof" fand. Ich wollte immer irgendwie gut da stehen- die nette freundliche, die immer korrekt ist. Nie hätte ich mich getraut, auf volle Konfrontation zu gehen - vielleicht auch ein bisschen aus Angst vor mir selbst (verliere ich die Fassung, bin ich eine Gefahr für mich und andere ;-) ). Ich fange gerade an, auch mal zu fauchen - und manchmal beiße ich auch. Und ich merke - hey, es tut mir gut![/QUOTE] Wie witzig. Bei mir war/ist es genau andersrum. Ich konnte und kann es nicht ertragen, wenn mich Leute nett finden. Das erscheint mir so unwahrscheinlich, dass ich einen (bösartigen) Hintersinn darin vermute, so wenig Selbstliebe hatte/habe ich. Ich bin früher immer sofort auf vollen Konflikt gegangen, im Extremfall bis hin zu wüsten Prügeleien. Sobald ich mich angegriffen fühlte, wurde ich zum Tier mit Schreien, Schlagen, Beißen. Meistens habe ich mir den Angriff auch nur eingebildet. Dadurch habe ich viele Freunde abgeschreckt, mir auch die berufliche Karriere versaut, denn bei meinen Wutanfällen ist auch der Chef nicht vor mir sicher. (Den habe ich zwar nicht verhauen, aber regelmäßig runtergeputzt.) Ich habe langsam gelernt, Konflikte auf sachlicher Ebene anzugehen. Jetzt bin ich endlich in der Lage, echte und auch bösartige Angriffe freundlich lächelnd wegzustecken, und das ist äußerst wohltuend - für mich und meine Umwelt. Seit ich diese Gelassenheit entwickelt habe, wird es auch immer besser mit meinen ES. Du siehst, wir haben vielleicht ähnliche Gründe, aber unsere Reaktion ist total verschieden.
  • [quote='Muminfrau','http://das-dicke-forum.de/forum/index.php?thread/&postID=97828#post97828']Hallo Ronja, ich wundere mich, wie du ueberhaupt ueberlebst, so wie du dein Leben beschreibst... Es scheint mir so, dass du im Prinzip dazu neigst, suechtig zu werden. Wenn nicht Essen, dann Sport oder Arbeit oder... Es ist keineswegs als Kritik gemeint, sondern als eine Information zum Nachdenken.[/QUOTE] Genau damit hast Du 100% ins Schwarze getroffen! Das wäre jetzt das Thema gewesen, welches ich hier noch hätte einfließen lassen. Um es kurz und knapp zu formulieren: ich gehe immer an meine eigenen Grenzen. Was ich mache, betreibe ich exzessiv. Arbeiten, Essen, Hungern, Sporteln, Bettsporteln.... und wenn ich wütend bin, was höchstens einmal im Jahr vorkommt, rase ich vor Wut ;-). Auch auf der Arbeit beherrscht mich folgende Problematik: ich kann nur voll Gas geben. Wenn ich das nicht täte, würde sie mir keinen Spaß machen und ich würde eher schluderig arbeiten. Ich bin, bevor ich die Kinder bekam, Workaholic gewesen. 80 Stunden die Woche habe ich gearbeitet - in der Bäckerei als Filialleiterin und in meinen diversen Nebenjobs. Gemeckert habe ich nicht - ich habe es ja gern getan. Und wenn die Leute gesagt haben "wow, wie schaffst Du das nur?" hatte ich das gute Gefühl, etwas außergewöhnliches zu leisten. Erschreckend, dass ich meine Daseinsberechtigung aus so einem bisschen Anerkennung ziehe..... was mich tröstet ist, dass ich auf einem guten Weg bin. Ich befasse mich die letzten zwei Jahre so intensiv mit mir.... und es kommen immer wieder neue Aspekte hinzu. [QUOTE] Es freut mich, dass du einen guten Arzt gefunden hast.[/QUOTE]Das besondere an meinem Arzt ist, dass er der erste Arzt war (von dem in der Kinik für psychosamtischen Krankheiten mal abgesehen) der nicht sofort geschrien hat "ABNEHMEEEEEEEN!". Unsere erste Begegnung? Er sollte ein Ultraschall meiner Fettleber machen - schaut mich an und meinte "darf ich Sie ganz offen etwas fragen? Wie ausufernd ist Ihre Diätkarriere?". Er unterstützt mich, versteht mich und nimmt mich mit meinen Problemen ernst. Das bedeut nicht, dass er mir nach dem Mund redet oder mir Honig um den gleichen schmiert... er versucht schon, immer wieder neue Ansätze zu finden, mir zu helfen. Leider fehlt mir an der Stelle die Zeit, ihn regelmässig aufzusuchen. Seit meinem letzten Besuch bei ihm schreibe ich Tagebuch - nein, ausnahmsweise kein "Fresstagebuch". Ich schreibe ein "Gefühlstagebuch"... was ich den Tag erlebt habe, was so vorgefallen ist. Und letzte Woche hatte ich mein erstes "aha-Erlebnis". [QUOTE] Also, ich bin meine Esssucht (hoffentlich?) erst nach mehr als 20 Jahren los geworden. Es ist nicht unmoeglich, aber manchmal fuehrt ein Umweg dahin. Man sollte es sich z.B. wert sein, gut zu essen, zu schlafen, zu entspannen... auch mal abzuschalten, ganz "egoistisch".[/QUOTE]Wahnsinn, Dir gehört mein vollster Respekt! Das war eine lange harte Arbeit an der eigenen Persönlichkeit. Selbstwert - das ist DAS Stichwort überhaupt. [QUOTE] Ich bin selber alleinerziehend und Vollzeit berufstaetig. Ich kann mir vorstellen, wie es dir geht. Ich denke ehrlich gesagt in diesem Zusammenhang nicht, dass "dicke" Selbstakzeptanz sooo wichtig ist. Eine "normale" Selbstakzeptanz ist das, was hilft. [/QUOTE]Heheeee - na dann kennst Du ihn ja, den ganz normalen alltäglichen Wahnsinn :grins:. Und oft betrüge ich mich selbst in dem ich sage "würdest Du nicht soviel essen, würdest Du vermutlich irgendwann völlig durch drehen" ;-). Man kann sich ja alles so wunderbar schön reden. Aber nein, zum Glück bin ich kein "Permanent-Schönredner".... ich behaupte, dass ich durchaus ein gutes Maß an Selbstreflektion besitze.... wie übrigens die meisten hier. Ich frage mich manchmal, ob das andere Menschen auch in dem Ausmaß tun wie wir "Pfunds-Menschen". [QUOTE] Wenn man sich als einen wertvollen Menschen sieht, dann ist es egal, ob man dick ist oder nicht.[/QUOTE]Gestern erst hatte ich das Gespräch mit einer sehr lieben Arbeitskollegin - sie ist auch "Mehr-Frau"... für mich die hübscheste Frau, der ich seit langem begegnet bin. Ausstrahlung, Sympathie, wie sie sich kleidet.... sie hatte viele Jahre die gleichen "Probleme" wie ich und hat es geschafft, ihren Frieden mit sich selbst und auch mit dem Essen zu finden - und sie ist einfach nur eine tolle Frau. Sie strahlt diese unglaubliche Zufriedenheit aus. Das ist natürlich nicht nur ein Phänomen unter uns Übergewichtigen.... das gibt es ja bei den normalschlanken und den untergewichtigen genau so.... Menschen, die grimmig durchs Leben laufen weil sie mit sich selbst nicht im reinen sind. Anfangen muss man bei der Selbstliebe - dann wird man auch von anderen gemocht / geliebt. Die Erkenntnis habe ich zwischenzeitlich auch erlangt. [QUOTE] Trotzdem fand ich das Thema an sich genial! Das hat mir viel zum Nachdenken gegeben.[/QUOTE]Ja, es ist schon lange her, dass ich in einer so interessanten und spannenden Diskussion verstrickt war. Mein Manko - ich bin oft nicht sehr ausdauernd dabei weil mich mein Alltag so in Beschlag nimmt. Manchmal hätte ich dann zwar die Zeit, aber ganz ehrlich nicht die Lust und den Kopf frei. Um mich mit meinen Gefühlen, Meinungen und Stimmungen an die Aussenwelt zu wenden oder über geschriebene Zeilen nachzudenken. An dieser Stelle danke ich allen Schreibern für diesen langen Thread!
  • [quote='Sophie','http://das-dicke-forum.de/forum/index.php?thread/&postID=97838#post97838']Ich habe langsam gelernt, Konflikte auf sachlicher Ebene anzugehen. Jetzt bin ich endlich in der Lage, echte und auch bösartige Angriffe freundlich lächelnd wegzustecken, und das ist äußerst wohltuend - für mich und meine Umwelt. Seit ich diese Gelassenheit entwickelt habe, wird es auch immer besser mit meinen ES. Du siehst, wir haben vielleicht ähnliche Gründe, aber unsere Reaktion ist total verschieden.[/QUOTE] Das kann ich zum Beispiel hervorragend: ich koche innerlich und schaffe es noch, den Leuten eine Kritik so nett verpackt rüber zu bringen, dass sie sich noch für meine ehrlichen Worte bedanken. Eine Bekannte von mir meinte mal, dass sie es befremdlich finden würde, dass jemand TOTAL sauer ist und dennoch höflich und so nett bleibt. Mein Problem an der Stelle: verliere ich die Kontrolle, dann brülle ich bis mir die Stimme weg bleibt. Das hat bislang nur mein Ex-Mann erlebt - genau zwei mal während unserer Ehe... und er fand es rückblickend beängstigend ;-). So - jetzt muss ich mal frühstücken ;o).
  • Hei Ronja, vielen Dank für deine sehr ausführlichen Antworten. Ich muss gestehen, dass ich Perfektionisten wie dich sehr beängstigend finde. Und auch Leute, die nie Schwäche zeigen. Ich fürchte mich vor dem Moment wenn dann mal der Faden reisst. Ich fürchte mich vor dem was sich hinter den Kulissen abspielt. Warum? Ich gehöre eher zu meinem Leidwesen zu den eher undiplomatischen Zeitgenossen, da ich manchmal schneller rede als ich denke. Ich trage mein Herz auf der Zunge und ich lass auch gerne mal Fünfe gerade sein. Ich hatte schon sehr unangenehme Erlebnisse mit den perfektionistischen "Lieben", denn irgendwann riss denen dann eben doch auch mal die Fassade auf und die Reaktionen waren dann sehr stark.
  • Ich gehoere auch zu Leuten, die im Stillen leiden und nach Aussen ein ruhiges und laechelndes Gesicht zeigen, (fast) egal was ist. Ich mache es, solange ich mich an mich erinnern kann... Als Kind war ich einfach nur "ruhig", habe mich auch nicht gefreut oder so -- bloss keine Emotionen zeigen. Kein froehliches Kind. Laecheln kam dazu, als ich als Teenager endeckt habe, dass es von einem erwartet wird. Gut ist es nicht, deswegen habe ich ueber Jahre lernen muessen, auch mal zu zeigen, dass ich unzufrieden, muede oder was auch immer bin. Allerdings, um diese negativen Gefuehle auszudruecken, muss man sie zuerst [I]wahrnehmen[/I]. Das finde ich am schwierigsten. Denn ruhige Leute, bei denen der Faden reisst, sind sich oft gar nicht bewusst, unter welch unglaublichen Anspannung sie gestanden haben, bevor der grosse "Bang" passiert ist. @Knalle: Sein Herz auf der Zunge tragen ist andererseits auch nicht ganz bequem, gell? ;) Emotionen sind sowieso ein ganz schwieriges und spannendes Thema. Kann und soll man sie unter Kontrolle halten? Was heisst hier "Kontrolle"? Oder soll man ihnen nachgeben? Wenn ja, dann unter welchen Umstaenden? Eine goldene Mitte zu finden ist hier zumindest fuer mich sehr schwer. Ich persoenlich habe noch einen dritten Zustand der Emotionen erlebt: Ich habe sie vor ca. 8 Jahren nach und nach "abgeschafft". Sprich, sie waren da, aber ich habe sie nicht gespuert. Vor ca. 3 Jahren habe ich wieder angefangen, meine Emotionen wahrzunehmen. Das geht heute mehr oder weniger, aber noch nicht so gut.
  • [quote='Muminfrau','http://das-dicke-forum.de/forum/index.php?thread/&postID=97974#post97974'] @Knalle: Sein Herz auf der Zunge tragen ist andererseits auch nicht ganz bequem, gell? ;) [/QUOTE] Die Frage finde ich gut und ich habe drüber nachgedacht. Ich finde es definitiv nicht bequem, weil man damit schnell Leuten vor den Kopf stösst und sich deswegen natürlich nicht so viel Freunde macht. Manchmal ist es eher ein Fluch. Ich mag nämlich gar nicht andere Leute ärgern. Ich habe versucht das zu ändern aber musste feststellen dass es nur zu einen gewissen Grad geht. seufz
  • Vielleicht kann man seine angeborene "Praeferenz" in dieser Hinsicht nicht beliebig weit entwickeln bzw. aendern. Fuer mich waere es wahrlich sehr schwer, sofort meine Emotionen auszudruecken. Ich brauche immer Zeit dafuer. Bis ich dann weiss, was ich eigentlich gespuert habe und wie ich diese Emotion in Worte fassen kann, vergeht manchmal so viel Zeit, dass die Situation schon gar nicht mehr aktuell ist. Ich habe es zwar mit der Zeit hinbekommen, dass es zumindest in Standardsituationen schneller geht, aber eine unbekannte Situation bringt das alte Muster immer heraus.
  • Ich war als junger Mensch sehr gehemmt, habe auch keine Gefühle rausgelassen, bis sie mich von innen her aufgefressen haben. Dann kam das andere Extrem: immer auf Kriegspfad. Jetzt bin ich wohl endlich so reif, dass ich halbwegs mit meinen Emotionen umgehen kann. Manchmal verstecke ich immer noch Gefühle, besonders "kalte" Gefühle, also solche, bei denen ich mich klein und schwach fühle, wie Angst, Kränkung, Verlassenheit. Und manchmal bin ich total enthemmt, vor allem bei "heißen" Gefühlen wie Wut, Ärger, großer Freude. Ihc habe es mir zur Angewohnheit gemacht, alles Positive, also "warme" Gefühle sofort rauszulassen: Dankbarkeit, Zuneigung, Mitgefühl. Wozu soll ich mich schämen, wenn ich jemandem sage, dass ich ihn mag, oder dass er mir gerade sehr geholfen hat. Das muss ja nicht gleich wie ein unsittlicher Antrag klingen. Dann ertragen die Leute es auch eher, wenn ich Ärger oder Frust rauslasse. Ich habe ein heißes Herz. Manchmal gibts halt Brandblasen...