Selbstakzeptanz - Mein Weg

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  • Ein Text von Na_Ich: Man muss nur jung, schlank und schön sein. Die Haut darf keine Cellulite aufweisen und Falten sind auch nicht gern gesehen. Die Haare muss man färben und die Zähne bleichen. Die Nägel sollten mindestens einmal die Woche eine Maniküre erfahren und überhaupt ist es total IN morgens eine Stunde zu joggen. Man ernährt sich von Salat mit Lightdressing und Wasser, das speziell mit Sauerstoff angereichert wurde. Wenn es einem dann doch wider Erwarten mal schlecht geht, gibt es bestimmt eine Pille, die man schluckt, und schon gehts wieder gut. So oder so ähnlich wird das Bild eines glücklichen Menschen vermittelt. Überall nur – dank Photobearbeitungsprogramm – perfekt aussehende Menschen. Im Fernsehen und auf Plakaten. In Magazinen und Zeitschriften. Wenn davon Glück abhängt, dann sollte der Großteil unserer Gesellschaft todunglücklich durchs Leben gehen. Denn niemand ist perfekt. Der eine hat eine schiefe Nase, der andere eine Glatze, ein dritter unreine Haut. Wir haben Übergewicht! Und während Menschen mit schiefer Nase, Glatze oder unreiner Haut ernst genommen werden, sind wir Dicken doch nur sinnlose Fressmaschinen. Willensschwach, leistungsschwach und überhaupt sollten wir uns schämen, zu existieren. Diesen Eindruck erwecken die Medien, die Regierung, Ärzte und der Großteil unseres Umfeldes. Dabei ist Übergewicht viel mehr als nur zu viel auf den Rippen. Es ist ein Teil von uns, aber es macht uns nicht als Menschen aus. Wir sind mehr! Wir sind Menschen. Wir fühlen, wir denken, wir lachen, wir weinen. Wir sind nicht weniger Mensch, sondern genauso viel wert wie jedes Geschöpf auf unserem Planeten. Wir laufen auf zwei Beinen, wie schlanke Menschen auch. Manche von uns haben auch eine schiefe Nase oder unreine Haut oder eine Glatze. Aber alles, was uns vorgehalten wird, ist unser Übergewicht. Wie können wir es nur wagen, dick zu sein. Wie können wir es nur wagen, Chips futternd auf der Couch zu liegen, Bier zu trinken und ja keinen Schritt zuviel zu gehen. Das Idealbild des perfekten Menschen prägt aber nicht nur uns. Es prägt auch alte Menschen. Es prägt körperlich behinderte Menschen. Es prägt chronisch kranke Menschen. Es prägt sogar unsere Kinder. Wir sind nicht erwünscht in dieser Gesellschaft und das spüren wir oft tagtäglich. Kinder sind nicht erwünscht, weil sie eben Kinder sind. Schade, dass die tolle Wissenschaft noch nicht erfunden hat, wie man Kinder voll entwickelt und schon erwachsen gebären kann. Oder dass alte Menschen nicht einfach alt werden, sondern faltenfrei mit 50 ihr eigenes Grab schaufeln und sich reinlegen. Nichts kosten. Niemandem zur Last fallen und schon gar nicht jemanden stören. Kinder stören die Ohren des perfekten Menschen. Dicke Menschen, schiefe Nasen, Glatzen und unreine Haut stören die Augen des perfekten Menschen. Alter und Krankheit stören den Geldbeutel des Staates. Hundehalter stören durch die Hinterlassenschaften ihrer vierbeinigen Freunde. Raucher stören die empfindlichen Nasen. Ja, eigentlich müsste statt Überbevölkerung die Erde leer sein. Denn es gibt keinen perfekten Menschen! Es gibt nur uns alle. Uns Dicke, uns Dünne, uns Kinder, uns Rentner, uns arbeitende Menschen, uns Raucher. Warum ich so weit aushole, wo ich doch über Selbstakzeptanz schreiben wollte? Weil Selbstakzeptanz nicht nur ein Thema für dicke Menschen ist. Es ist für alle ein Thema. Nur weil man schlank ist, die Nase gerade, die Haut rein und die Haare voll, nur deswegen ist man nicht glücklich. Nur deswegen akzeptiert man sich nicht als liebenswerten Menschen mit Daseinsberechtigung. Auch wenn wir eine dicke Seite sind, sind wir doch vorrangig Menschen, die auf der Suche nach Selbstakzeptanz hier gestrandet sind. Und gestrandet ist nicht unbedingt negativ behaftet, sondern eher das Gegenteil. Für viele, wenn nicht alle, beginnt der Weg erst hier. Wir alle hätten gern weniger auf den Rippen. Wir alle wären gern ein Stück näher am perfekten Menschen. Aber vor allen Dingen wollen wir uns selbst so lieben und akzeptieren, wie wir sind. Wir wollen unseren Körper nicht dafür bestrafen, dass er dick ist. Wir wollen keinen Krieg gegen ihn führen. Wir wollen lernen, mit ihm zu leben, auf ihn zu hören und ihm liebevoll etwas Gutes zu tun. Er soll wissen, dass wir ihn nicht hassen, aber es vielleicht erst lernen müssen, das zu erkennen. Ein körperlich und psychisch gesunder Mensch wiegt nicht mal eben 200 kg. Wir suchen die Ursache, warum wir dick sind. Menschen, die diesen Text nicht vorurteilsfrei lesen, werden sich jetzt denken "dann esst halt nicht soviel und bewegt euch mehr." Ein Rat, den – davon bin ich überzeugt – jeder schon mindestens einmal im Leben gehört hat. Während Magersüchtige von ignoranten Menschen zu hören kriegen, sie sollten doch einfach mehr essen, hören wir genau das Gegenteil. Und da haben wir schon wieder etwas gemeinsam: Warum sind wir so? Dieser Frage wollen wir hier auf den Grund gehen. Jeder für sich und doch alle gemeinsam. Übergewicht hat viele Ursachen. Viele hier haben entdeckt, dass sie an Esssucht leiden, einer Essstörung, die genauso bestimmte Dinge zu kompensieren sucht wie Magersucht oder Bulimie. Viele hier leiden an einer körperlichen Ursache, und obwohl es der ignorante Leser nicht gern lesen mag, aber Schilddrüsenerkrankungen sind hier nach wie vor sehr präsent. Viele Menschen hier haben eine harte Diätkarriere hinter sich. Der Jojo-Effekt ist keine Erfindung und auch keine Ausrede. Jeder, der schonmal eine Diät gemacht hat, kennt das. Egal ob schlank oder dick. Aber wir sind immer noch nicht bei der Selbstakzeptanz angekommen. Was ist das also, Selbstakzeptanz? Was soll das sein? Wie kann man das lernen? Es ist leider keine Formel oder eine Vokabel, die man auswendig lernen kann und schon klappts. Es ist ein langer, oftmals sehr harter Weg. Vorweg möchte ich noch sagen, dass wir uns bewusst sind, dass gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung für einen Körper wichtig sind. Aber das betrifft auch schlanke Menschen! Nur um die gehts auf dieser Seite nicht, auch wenn sie bezüglich Selbstakzeptanz und Toleranz hier auch viel lernen können. Und jetzt kommen wir vom "wir" zum "ich" denn jetzt kann nur ich schreiben, was Selbstakzeptanz für mich ist und wie mein Weg geht. Ich habe lange überlegt, wie ich das beschreiben kann. Wie kann ich anderen Menschen erklären, was Selbstakzeptanz für mich ist und wie ich damit umgehe? Es ist auch gar nicht so einfach! Ich kann oft besser reden als schreiben. Auch wenn ich immer ein selbstbewusster Mensch war, und es auch endlich wieder bin, gab es doch eine sehr lange Phase in meinem Leben, in der ich seelisch nicht mehr wusste, wofür ich eigentlich hier bin. Ich hing seit meinem 15. Lebensjahr in einer Beziehung, die mir nicht gut tat. Ich komme aus einer intakten Familie. Meine Eltern haben mir immer vorgelebt, was eine glückliche Ehe ist. Wie Liebe, Respekt und ein ausgeglichenes Miteinander aussehen. Leider starb mein Vater 1999 ganz plötzlich und das war für mich ein sehr harter Schlag. Meine Eltern waren nicht begeistert, als ich mich so früh gefühlsmäßig an jemanden gebunden habe. Aber sie akzeptierten meine Entscheidung und unterstützten mich. Wie so oft im Leben entdeckt man aber leider zu spät, dass der Wolf sich im Schafspelz versteckt hatte. Meistens will man es auch gar nicht erkennen. Ich war immer bekannt für meine offene und direkte Art. Viele Menschen konnten damit nicht umgehen und nur wenige fanden das wirklich gut. Ich war lebenslustig und immer froh. 1997 machte ich Abitur und zog 400 km weit weg. Ich machte eine Ausbildung und bestand die Prüfungen gut. Die Beziehung lief nach außen hin sehr gut, aber innerlich schwächelte sie. Mein damaliger Freund war gewalttätig und eigentlich nicht das, was ich mir immer als Mann fürs Leben vorgestellt hatte. Ich suchte nebenbei Trost und Liebe bei anderen, aber auch das war nie das Wahre. Nach außen musste es jedoch funktionieren. So hatte ich das von anderen gelernt und es auf mich übertragen. Ich konnte meinen Eltern nicht als geschlagenes Kind gegenübertreten. Als schwache und gedemütigte Frau. Meine Mutter weiß davon bis heute nichts. Seelisch ging ich immer mehr kaputt. Nach außen war ich so wie immer, aber ich hatte Angst, mich anderen zu offenbaren, ihnen zu erzählen, wie ich mich fühlte. Ich hatte nicht unbedingt Angst vor Ablehnung aber Angst davor, in einer beziehungskrisengebeutelten Zeit meines Umfeldes ebenfalls dazuzugehören und anderen, die an mir und meinem Leben Kraft gefunden hatten und Halt, diesen kaputt zu machen. Leider wusste ich nicht, dass ich mich dabei selbst kaputt machte. Mein Exfreund fand mich schon lange nicht mehr attraktiv. Ich empfand mich nicht mehr als attraktiv und ich begann eine Diät nach der anderen. Keine half. Ich wurde immer mehr! Am Ende aß ich kaum mehr als 400 Kalorien am Tag. Ich entwickelte eine unbewusste Sucht nach diesem Hungergefühl, das einzige, was mich spüren ließ, dass ich noch lebte. Und dann? Ja, ich weiß auch nicht, es konnte und sollte so nicht weitergehen. Ich surfte quer durchs Netz und fand das (damals noch das andere) Forum. Ich las und las und las. Ich wollte mich nicht so fühlen, wie die alle da. Ich wollte anders sein. Glücklich und zufrieden. Ich wollte nicht zu denen gehören. Aber ich merkte, ich gehörte zu denen. Ich war nicht glücklich und zufrieden. Ich war kaputt. Der Großteil unseres Teams hat diese Geschichte verfolgt und kennt sie. Und 2003 traf ich meinen jetzigen Freund. Er war anders als alle Affären. Er war anders als mein Exfreund. Er akzeptierte mich so, wie ich war. Er war für mich da als Freund und es wurde mehr. Ich hatte jemanden gefunden, der mir zuhörte. Doch nicht nur ihn, im Forum gab es soviele, die mir geholfen haben, den Schritt zu wagen. Zu sagen, DAS WILL ICH NICHT! Und auch wenn es ganze 3 Monate gedauert hat, habe ich den Schritt gewagt. Ich habe mich getrennt. Und es fühlte sich gar nicht wie das Versagen an, als das ich es erwartet hatte. Meine Mutter stand immer hinter mir. Sie half mir und ich bin ihr so dankbar für die vielen, vielen Stunden, die sie mir am Telefon zugehört hat. Auch sie machte mir Mut. Und ich entschied mich. Für ein anderes, ein neues Leben. Ich wusste nicht, ob es so werden würde, wie ich es gern haben wollte, aber das erste Mal hatte ich den Gedanken, dass ich der Schmied meines eigenen Glückes bin. Mir standen plötzlich Möglichkeiten offen, mich und mein Leben zu ändern. Und ich tat es. Ich weiß noch, wie sich das angefühlt hat ... Angst, aber gleichzeitig Stolz und Zuversicht. Und wenn ich jetzt, fast dreieinhalb Jahre später, zurückblicke, dann kann ich nur sagen, es war die beste Entscheidung meines Lebens. Ich habe nicht nur den Mann fürs Leben gefunden. Nein, ich habe soviel gelernt. Viele Freunde und meine Familie sagen, sie würden mich nicht wiedererkennen. Ich sei total verändert. Ausgeglichen und glücklich. Meine Lieblingskassiererin im Supermarkt, die mich seit Jahren kennt, meinte mal, ich würde regelrecht strahlen. Vor Jahren wäre es mir noch wichtig gewesen, was andere Leute denken. Natürlich hätte ich das niemandem offen gesagt. Im Schönreden war ich Weltmeister. Ich habe gelernt, Gefühle zuzulassen und sie zu zeigen. Ich wurde belohnt mit den besten Freunden, die man sich vorstellen kann. Mit einer Familie, die noch enger hinter mir steht als je zuvor. Die mein neues ICH, was ich eigentlich immer war, aber das ich so tief in mir vergraben hatte, lieben. Die einfach nur MICH lieben. Ich habe mich von vielen Leuten distanziert, die mir nicht gut getan haben. Ich habe das für mich so entschieden. Ich kann das Leben genießen, was ich vorher nicht konnte. Natürlich gibt es auch schlechte Tage und meine Krankheit (Hashimoto Thyreoiditis) macht es mir nicht immer leicht, aber ich weiß jetzt, wo ich Halt und Kraft finde. Wo ich ehrliche Antworten auf meine Fragen bekomme. Wo ich nicht nur gut gemeinte, sondern ehrliche Ratschläge bekomme. Ich fühle mich nicht mehr peinlich berührt, offen zu sein. Ich schäme mich nicht mehr, das zu sein, was ich bin. Nämlich ich! Nicht einfach nur die dicke Grit, die alles perfekt meistert und immer stark ist. Nein, ICH! Grit, die viel perfekt meistert, aber Fehler macht, diese eingesteht und Kritik vertragen kann. Grit, die lacht und weint, wenn ihr danach ist. Grit, die herzlich mit Menschen umgeht, die sie mag. Und die das auch diesen Menschen zeigt, dass sie sie mag. Ich bin stark, aber ich kann auch schwach sein. Und wenn ich mal nicht stark sein kann, dann bin ich es einfach nicht. Dann bin ich eben schwach. Aber so ist das nunmal. Ich habe akzeptiert, dass ich nicht schlank bin. Ich weiß nicht, ob ich es je sein werde. Aber die Tatsache, dass ich mein Umfeld nur mit Menschen "bestücke", die mich so akzeptieren wie ich bin, gibt mir Kraft. Ich habe gelernt, mich zu entschuldigen, wenn ich zu weit gegangen bin. Ich habe gelernt, zu erkennen und zu akzeptieren, dass jemand vielleicht noch nicht da ist, wo ich bin. Und ich danke "meinem" Team hier auf der Seite und im Forum für alles, was sie für mich getan haben. Leute, was wäre ich nur ohne Euch! Ihr seid so stark und ich habe soviel von Euch gelernt. Und ich hoffe, dass noch viele, viele andere von Euch und Uns lernen können, was ich gelernt habe. Euer Weg muss nicht meiner sein. Euer Weg kann ein ganz anderer sein, denn jeder ist anders. Menschen sind verschieden, auch das musste ich erst lernen. Und wenn man offen ist für Möglichkeiten, bereit ist, etwas zu verändern und bereit, an sich zu arbeiten, dann kann man seinen Weg auch finden. Egal, ob andere diesen Weg für richtig halten oder nicht. Ich bin weder schlank, noch habe ich reine Haut. Meine Nase gleicht einer Kartoffelknolle und trotzdem ich mag mich! Ich mag meinen Körper und wir finden uns schon noch weiter zusammen, davon bin ich überzeugt. Wir müssen schließlich das ganze Leben zusammen aushalten. Das ist für mich Selbstakzeptanz!